Tschetschenien  - Fragen und Antworten.
Von einem Autorenkollektiv der
Russischen Nachrichtenagentur „Novosti”.

 
 
Inhaltsangabe
I. Geografie, Bevölkerung, Geschichte
II. Tschetschenische Krise. Die wichtigsten Ereignisse.
1. Antiterroroperation in Tschetschenien
2. Auswärtiger Faktor
III. Wiederaufbau Tschetscheniens
1. Sozialökonomischer Bereich
2. Werdegang des Rechtssystems
3. Formierung der Machtorgane Tschetscheniens

 

Dieses Buch berichtet über Tschetschenien, eine Region Rußlands, in der es im letzten Jahrzehnt zu den tragischsten Ereignissen gekommen ist.

Das Buch enthält die neuesten Angaben über die Lage in der Tschetschenischen Republik. Das ist außerordentlich wichtig, weil gerade der Mangel an frischer und authentischer Information über die Entwicklung in Tschetschenien viele entstellte Vorstellungen und Gerüchte zur Folge hat, und dies sowohl in Rußland als auch außerhalb seiner Grenzen. Beispielsweise die Vorstellungen davon, daß die tschetschenische Gesellschaft angeblich Rußland ursprünglich wesensfremd sei; daß die prorussischen Kräfte in der Republik marginal seien; daß schließlich die russischen Kräftestrukturen nicht gegen die bewaffneten Banditenformationen, sondern gegen das gesamte tschetschenische Volk kämpfen würden. Die Wirklichkeit zeigt indes, daß eben mit der Rückkehr der gesetzlichen Macht in die Republik dort Städte und Dörfer wieder aufgebaut werden, erstmalig seit vielen Jahren Kinder zur Schule gehen und die Rentner nun ihre längst vergessenen Renten bekommen, daß dort also das eigentliche soziale Gewebe des Lebens wiederhergestellt wird. Es stehen das Referendum über die neue tschetschenische Verfassung sowie die Parlaments- und die Präsidentschaftswahlen bevor. All das wird zweifellos zustande kommen, trotz der fortdauernden Versuche der Banditengruppen und ihrer Anführer, die Normalisierung der Lage in der Republik zu vereiteln. Ein frisches Beispiel ist der Terrorakt, bei dem das Gebäude der Regierung der Republik in die Luft gesprengt wurde.

Wie Fakten bezeugen, gefährdet das Bestehen der Tschetschenischen Republik im Rahmen der Russischen Föderation in keiner Hinsicht die Eigenständigkeit der tschetschenischen Kultur, den vollwertigen Gebrauch der Nationalsprache oder die Entwicklung der islamischen Religion.

Im Gegenteil, gerade in der Zeit der faktischen „Unabhängigkeit” dieses Territoriums von Rußland erlebte das tschetschenische Volk eine humanitäre Katastrophe von beispiellosen Ausmaßen. Geiselnahme, Sklavenhandel, Raubüberfälle bildeten damals die ökonomische Grundlage des entstandenen Regimes, während Chaos und Krieg die Form seiner politischen Existenz wurden. Bei den Kampfhandlungen, die die tschetschenischen Separatisten gegen die föderalen Kräfte und oft auch gegen die eigenen Mitbürger führen, handelt es sich keineswegs um einen „nationalen Freiheitskampf des tschetschenischen Volkes”, sondern um einen Bestandteil der generellen Offensive der Kräfte des internationalen Terrorismus gegen die Grundlagen der modernen Zivilisation.

Es sei noch einmal betont: Tschetschenien ist sowohl geografisch als auch zivilisatorisch und politisch Bestandteil Rußlands. Deshalb wäre ein hypothetischer Sieg des radikalen Islamismus auf dem Territorium der Tschetschenischen Republik antihistorisch. Eine solche Entwicklung der Ereignisse würde bedeuten, daß mitten in Europa ein Regime entstünde, das dem der Taliban ähnlich wäre: mit allen sich für die Weltgemeinschaft daraus ergebenden Folgen.

Das Autorenkollektiv - Journalisten der Russischen Nachrichtenagentur „Nowosti” - hat versucht, in diesem Buch lakonisch auf Fragen zu antworten, die sich (vor allem im ausländischen Auditorium) am häufigsten erheben, sobald die Rede auf das Tschetschenien-Problem kommt. Daher auch der Titel des vorliegenden Buches „Tschetschenien: Fragen und Antworten”. Die darin verwendeten Angaben wurden den Autoren von verschiedenen Ministerien und anderen zentralen Staatsorganen Rußlands, die so oder so am Prozeß der Normalisierung der Situation in dieser Republik teilnehmen, zur Verfügung gestellt.

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I. Geografie, Bevölkerung, Geschichte

Welches ist die geografische Lage Tschetscheniens und sein Platz im Bestand der RF?

Die Tschetschenische Republik liegt am Nordabhang der Berge des Großen Kaukasus und in der angrenzenden Tschetschenischen Ebene und der Terek-Kuma-Niederung. Der geografischen Lage nach zerfällt das Territorium der Republik, dessen Fläche etwa 15 700 Quadratkilometer mißt, in einen Tal- und einen Gebirgsteil.

Die Tschetschenische Republik ist eines der 89 Subjekte der Russischen Föderation und gehört zur Nordkaukasischen Wirtschaftsregion und zum Südlichen föderalen Bezirk.

Verwaltungsmäßig besteht die Tschetschenische Republik aus 18 Rayons. Die Hauptstadt der Republik, die Stadt Grosny mit ihren rd. 300.000 Einwohnern, wird als das Industrie-, Kultur- und wissenschaftliches Zentrum Tschetscheniens wiederhergestellt. Andere wichtige Städte sind Gudermes, Argun, Urus-Martan und Schali. Tschetschenien zählt etwa 500 Ortschaften.

 

Woraus ergibt sich die strategische Wichtigkeit dieser Region?

Die zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer beiderseits des Großen Kaukasischen Berggrates gelegene Region des Großen Kaukasus war schon in alten Zeiten vielen Reisenden und Seefahrern bekannt. Was sie hier anzog, waren nicht nur ihre unverwechselbare Schönheit und ihre Eigenständigkeit, sondern auch ihre, wie damals geglaubt wurde, märchenhaften Reichtümer. In diese Region kamen die griechischen Argonauten auf der Suche nach dem Goldenen Vlies, später tauchten hier byzantinische und venezianische Kaufleute auf. Einst führte über den Großen Kaukasus die Große Seidenstraße, die noch aus dem 2. Jahrhundert vor unserer Zeit stammte.

Seinerzeit stieß die Festigung Rußlands im Kaukasus und am Schwarzen Meer auf den Widerstand der westeuropäischen Mächte. Ihr Interesse für diesen Landstrich war auch dadurch bedingt, daß am Kaspischen Meer Erdöllagerstätten entdeckt wurden. Wiederholt kam es zu Versuchen, diese außerordentlich reichen und strategisch wichtigen Regionen von Rußland abzutrennen: Im Verlaufe des ganzen 19. Jahrhunderts strebte Großbritannien das an, im 20. Jahrhundert zielte auch Hitlerdeutschland darauf ab.

Auch heute bildet Nordkaukasien eine Brücke zwischen Rußland und Transkaukasien, Europa und Asien.

 

Welche Naturressourcen und Bodenschätze hat Tschetschenien?

Tschetscheniens größter
   Tschetschenienen. Grosny, Januar 2003
      Tschetschenienen. Grosny, Januar 2003
Reichtum sind Erdölvorräte. Insgesamt gibt es rd. 30 Erdölvorkommen in der Republik; laut Angaben für November 2002 lieferten sie bis zu 4.000 Tonnen Erdöl am Tag. Seit langer Zeit benutzt die örtliche Bevölkerung das „schwarze Gold” im Alltag und für medizinische Zwecke, wobei sie es aus Erdölquellen und eigens dazu angelegten Brunnen holt.

Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts war die industrielle Erdölförderung auf nur drei Vorkommen konzentriert. In den Jahren der Sowjetmacht wurde eine detaillierte Erforschung des geologischen Aufbaus der Erdölregion um Grosny vorgenommen, was zur Entdeckung einer ganzen Reihe neuer Erdöllagerstätten führte. In den 30er bis 40er Jahren des 20. Jahrhunderts begann die Gewinnung an den sehr reichen tschetschenischen Vorkommen Benoiskoje, Malgobek, Goragorskoje, Oissungurskoje, Adu-Jurtowskoje und Taschkalinskoje.

Neben Erdöl und Erdgas besitzt Tschetschenien große Mengen von Mineralrohstoffen, die in der Bauindustrie zur Anwendung kommen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen unter den Naturreichtümern Tschetscheniens zahlreiche Mineralquellen, die von großer balneologischer Bedeutung sind. Der Umstand, daß auf dem Territorium der Republik große Vorkommen von Mineralwässern von unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung und Temperatur bestehen, gibt die Möglichkeit, hier ein ganzes Netz von vielfältig spezialisierten Kurorten anzulegen. In der sowjetischen Periode bestand in Tschetschenien der Kurort Sernowodsk.

Ein weiterer Reichtum der Republik sind ihre Wälder. Die am weitesten verbreitete und wertvollste Holzart ist die Buche. Aus ihrem Holz werden Möbel, Musikinstrumente, Sperrholz und Parketten hergestellt. Eine industrielle Verwertung finden außerdem Hölzer wie Weißbuche, Eiche, Esche, Ahorn, Karagatsch, Linde.

 

Worin besteht die heutige Bedeutung Tschetscheniens für Rußland?

Infolge des Zerfalls der Sowjetunion im Jahre 1991 hat Tschetschenien die Bedeutung eines wichtigen Grenzgebiets am Südrand Rußlands gewonnen: Über Tschetscheniens Territorium verläuft heute ein recht langer Abschnitt der russisch-georgischen Grenze.

Die Republik hat gemeinsame Grenzen mit anderen Subjekten der RF: mit Dagestan, Inguschetien, der Region Stawropol.

Tschetscheniens Territorium ist außerdem ein überaus wichtiger Transportkorridor. Die Republik ist mit den größten Wirtschaftsregionen Rußlands und der GUS-Länder durch Eisenbahnen verbunden. Diese befördern Erdölprodukte, Agrarrohstoffe, Maschinen, Nahrungsmittel. Über Tschetschenien führt die Chaussee Moskau - Rostow - Baku. Auch besitzt die Tschetschenische Republik ein weit verzweigtes Rohrleitungsnetz.

 

Wie hoch ist die Bevölkerungszahl der Tschetschenischen Republik?

Laut vorläufigen Angaben der jüngsten Gesamtrussischen Volkszählung von 2002 zählt Tschetschenien über eine Million Einwohner. Im Zuge der Volkszählung wurde ein schneller Bevölkerungszuwachs in der Republik, besonders auf dem Lande, festgestellt. Am dichtesten besiedelt sind die Ebenen im Vorgebirge und die Täler der Flüsse Terek, Sunsha und Argun.

 

Wie sieht die nationale Zusammensetzung der in Tschetschenien lebenden Völker aus?

Tschetschenien ist eine
   
multinationale Republik. Auf ihrem Territorium leben seit uralten Zeiten Vertreter von Dutzenden Nationalitäten. Die größten ethnischen Gruppen sind neben den Tschetschenen die Inguschen, die Russen, die Kumyken und die Nogaier. Zudem leben in Tschetschenien Tausende von Armeniern, Juden, Ukrainern, Awaren, Tataren, ferner Georgier, Aserbaidshaner, Kurden, Andier, Lesginen, Tscherkessen, Osseten und andere Völker.

Die Tschetschenen sind das zahlenmäßig stärkste Volk Tschetscheniens, dazu auch eines der ältesten Völker der Welt. In armenischen Quellen des 7. Jahrhunderts werden die Tschetschenen als „Nachtscha matjan” (die das Nachische Sprechenden) erwähnt. Das „Nochtschi-Volk” wird auch in alten persischen Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts erwähnt. In Nordkaukasien bilden die Tschetschenen die größte Ethnie, die über eine Million Personen zählt. Vertreter dieses Volkes leben in den an Tschetschenien angrenzenden Republiken Inguschetien, Dagestan und in der Region Stawropol, in vielen anderen Gebieten Rußlands sowie in Kasachstan, Kirgisien, Georgien, der Ukraine, in anderen Ländern der GUS und des fernen Auslands.

In Genotyp, Kultur und Religion stehen den Tschetschenen ihre Nachbarn Inguschen nahe. Zusammen bilden sie das Volk der Wainachen, das durch die Blutsverwandtschaft, ein gemeinsames historisches Schicksal, die territoriale, ökonomische, kulturelle und sprachliche Nähe verbunden ist. Die Wainachen sind die Ureinwohner des Kaukasus und sprechen die nachische Sprache, die zur nordkaukasischen Gruppe der iberokaukasischen Sprachfamilie gehört.

Die tschetschenische Gesellschaft formte sich im Verlauf der Geschichte als polyethnisch, sie nahm ständig unterschiedliche nationale Elemente und die Kultur der Nachbarvölker, darunter auch des russischen Volkes, in sich auf.

 

Was stellt das Volk Tschetscheniens als Sozium dar? Worin besteht die Spezifik der Tejp-Struktur der tschetschenischen Gesellschaft?

Anders als bei den anderen kaukasischen Völkern haben sich bei den Tschetschenen und den Inguschen bis heute in gewissem Grade Institute der Gentilordnung und Gemeindeformen der Verwaltung erhalten.

Die sozialen Klassenunterschiede waren in der tschetschenischen Gesellschaft im Verlaufe vieler Jahrhunderte recht schwach ausgebildet, deshalb setzte sich die Gemeinde überwiegend aus Nachbarn, aus Familien sowohl tschetschenischer als auch anderer ethnischer Abstammung zusammen. Diese Form der Gemeinde herrschte vor. Sie vereinigte die Bewohner einer größeren oder mehrerer kleiner Ortschaften. Das Leben der Gemeinde wurde von jeher von der Versammlung der Vertreter einer Sippe geregelt. Die allgemeine Gemeindeversammlung legte die Regeln der Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen der Gemeinde, die Zeit des Pflügens und der Heumahd fest und vermittelte bei der Schlichtung von Streitigkeiten.

Mehrere Gentilgemeinden, die durch die gemeinsame Abstammung miteinander verbunden sind, bilden eine Gentilorganisation, die Tejp (Sippen- oder Stammesverband) genannt wird. Jeder Tejp lebt auf seinem historischen Territorium, das die Ländereien der Gemeinde darstellt. In Tschetschenien werden rund 150 Tejps gezählt.

 

Zu welchen Religionen bekennt sich Tschetscheniens Bevölkerung?

Die Ahnen der Tschetschenen und Inguschen, die Wainachen, waren ursprünglich Heiden, und das Heidentum herrschte im Kaukasus im 3. bis 1. Jahrtausend vor unserer Zeit, als noch der Staat Urartu bestand. Später, ungefähr im 10. Jahrhundert, zog in Nordkaukasien über Georgien das Christentum ein. Von der christlichen Vergangenheit der Tschetschenen zeugen nicht nur Legenden und Sagen, sondern auch von Archäologen entdeckte zahlreiche Denkmäler der altertümlichen und mittelalterlichen materiellen Kultur.

Die Periode der Christianisierung war, historisch gesehen, recht kurz. Im 13. bis 15. Jahrhundert drang der Islam aktiv in die tschetschenischen Stämme und Gemeinden ein.

Die meisten Tschetschenen waren schon im 15. und 16. Jahrhundert Moslems. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich in Tschetschenien ein vom Sufismus beeinflußter Islam. Für den Sufismus ist eine Kombination von idealistischer Metaphysik mit asketischen Praktiken und religiöser Toleranz charakteristisch.

Der Islam blieb in Tschetschenien auch in der Sowjetzeit eine einflußreiche Kraft, obwohl damals die Religionsausübung nicht gerade gefördert wurde. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts bürgerten sich in Tschetschenien, hauptsächlich unter dem Einfluß von Predigern aus diversen arabischen Ländern, die Ideen des Wahhabismus, einer politischen Strömung, ein. Ihre Anhänger entwickeln, auf eine spezifische, subjektive Interpretation der Bestimmungen des Islams gestützt, eine Tätigkeit, die auf die Islamisierung der Welt und die Schaffung eines Khalifats als eines einheitlichen islamischen Staates gerichtet ist. Die Wahhabiten setzen sich insbesondere für den Dschihad ein, worunter sie nicht nur den Kampf gegen die Kafirn (Andersgläubige), sondern auch gegen jene Moslems verstehen, die die Ideen des Wahhabismus nicht teilen.

 

Warum scheiterten die Versuche des tschetschenischen Volkes, ein eigenes Staatswesen zu erlangen?

Die Wainachenstämme, die das Territorium des heutigen Tschetscheniens besiedelten, unternahmen schon im frühen Mittelalter zusammen mit verwandten Völkern des Kaukasus Versuche, ein eigenes Staatswesen aufzubauen. So existierte im 4. bis 12. Jahrhundert im Gebirge von Tschetschenien und Dagestan eine Staatsstruktur, das sogenannte Reich Serir, und in den Ebenen des nördlichen Kaukasusvorlandes entstand ein polyethnischer frühfeudaler Alanischer Staat. Aber im 13. und 14. Jahrhundert mußten sich die Tschetschenen unter dem Andrang der Tataromongolen ins Gebirge zurückziehen. Ende des 14. Jahrhunderts zerschlugen die Truppen von Timur-Leng den Staat Semsim auf dem Territorium Tschetscheniens, worauf eine lange Zeit des Niedergangs folgte.

Nach dem Zerfall der Goldenen Horde stiegen die Tschetschenen allmählich aus den Bergen in die Täler herab und erschlossen die Tschetschenische Ebene aufs Neue. Auf dem größeren Teil des Territoriums von Tschetschenien wurde die traditionelle Lebensweise wiederhergestellt, bei der die persönliche Freiheit nur durch die Gesetze der Adat (Gewohnheitsrecht) beschränkt wird. Zugleich damit genügte die Zugehörigkeit zum Stammes- und Feudaladel bei den Tschetschenen nicht, um die Macht vererben zu können. Der Individualismus, der Freiheitskult und der kriegerische Geist waren bei den Wainachen dermaßen stark entwickelt, daß sich diese Besonderheiten des Volkes in einem bestimmten Entwicklungsstadium gegen das Volk selbst kehrten und die Herausbildung der Nation bremsten. Es war kein Zufall, daß die tschetschenischen Gemeinden im Hader miteinander lagen und aus Angst vor der Erhöhung von Menschen aus ihren Reihen Vertreter von Fürsten der benachbarten Bergvölker zu Herrschern beriefen.

Die örtlichen Feudalherren konnten ihre Macht nur auf einzelne Gebiete erstrecken. Die Wainachen hatten niemals einen eigenen Herrscher, deshalb war das Problem der Konsolidierung für sie schon immer aktuell. Die tschetschenische Gesellschaft war „nichtstaatlich”. Sie ordnete sich in erster Linie dem hergebrachten Recht unter. Bei den Gebirglern überwogen am häufigsten nicht die gesamtnationalen Interessen, sondern die der Familie, des Stammes, der Gemeinde, deshalb fiel es schwer, dort eine beständige staatliche Struktur zu formen.

 

Welche historischen Gegebenheiten bedingten die Eingliederung Tschetscheniens in Rußland?

Lange Zeit stand Tschetschenien unter dem Einfluß von drei Mächten zugleich: von Rußland, Persien und der Türkei. Schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, unter der russischen Zarin Anna Ioannowna, begann man in dieser Region mit der Anlegung von russischen Befestigungen, die den Namen der Kaukasischen Linie bekamen.

Das Hauptziel der militärischen Bautätigkeit war nicht so sehr Befriedung der Bergbewohner, sondern es waren vielmehr und vor allem die Verteidigung, die Gewährleistung der Sicherheit an der südlichen Richtung der Meeresschifffahrtsstraßen sowie die Aufrechterhaltung beständiger Beziehungen zu Georgien als dem wichtigsten Verbündeten Rußlands in Transkaukasien.

Nachdem sich das christliche Georgien gemäß dem Freundschaftsvertrag (Georgi-Traktat) von 1783 freiwillig Rußland angeschlossen hatte, geriet Tschetschenien wie auch das gesamte Nordkaukasien geografisch in den Bestand des Russischen Reiches. Als 1829 nach dem Frieden von Adrianopel die Grenzlinien zwischen Rußland, der Türkei und Persien in der Hauptsache vereinbart worden waren, wurden auch die wichtigsten Gebiete Armeniens und Aserbaidshans dem russischen Reich angeschlossen. Über das Territorium Tschetscheniens verlief eine außerordentlich wichtige Straße vom Zentrum Rußlands nach Transkaukasien.

 

Wie wirkte sich die historische Nachbarschaft der russischen Nation auf Tschetschenien aus?

Die Kontakte mit dem russischen Volk
   Unterricht in der Kunstschule. Tschetschenien, Ortschaft Komsomolskoje.
      Unterricht in der Kunstschule.
      Tschetschenien, Ortschaft Komsomolskoje.
beeinflußten wesentlich die Herausbildung des tschetschenischen Soziums. Die Verbindungen der Wainachen mit Rußland und den Russen datieren noch aus dem 7. bis 9. Jahrhundert, aus der Zeit des Kampfes der Bergvölker und der russischen Fürstentümer gegen das Chasarenchaganat. Im 11. Jahrhundert schlugen die Russen zusammen mit den Bergbewohnern die Überfälle von Nomadenstämmen zurück, und das 13. Jahrhundert stand im Zeichen des gemeinsamen Widerstands der Russen und der Bergvölker gegen die tataromongolische Invasion.

Im 18. Jahrhundert trugen Kaufleute, russische Offiziere sowie die ersten russischen Wissenschaftler, die den Kaukasus besuchten, viel zur gegenseitigen Annäherung der russischen und der tschetschenischen Bevölkerung bei. Zwischen den Russen und den Tschetschenen bahnten sich enge Handelsbeziehungen an.

Quellen jener Zeit, darunter auch westeuropäische, zeugen davon, daß Vertreter der nordkaukasischen Völker Wert darauf legten, Russisch zu lernen. Gerade damals nahmen viele Mitglieder der kaukasischen Berggemeinden, darunter auch solcher von Tschetschenen und Inguschen, freiwillig die russische Staatsangehörigkeit an.

Die Nachbarschaft von Russen und Tschetschenen hatte nicht nur positive Aspekte. Doch traten alle Konflikte in den Hintergrund, sobald das ganze Land in Gefahr war. Während des Vaterländischen Krieges von 1812 zeichneten sich nicht wenige tschetschenische Soldaten und Offiziere aus. Letztlich minderte nicht einmal der Kaukasuskrieg von 1817 - 1864 - eine dramatische Zeit in der Geschichte der russisch-tschetschenischen Verbindungen - die gegenseitige Anziehung beider Völker.

In der Sowjetzeit erlebte Tschetschenien einen wirtschaftlichen Aufstieg, der die Republik, früher ein armes Randgebiet, in eine Region mit entwickelter Industrie und Landwirtschaft verwandelte. Der Hinweis mag genügen, daß sich der Umfang der Industrieproduktion in Tschetschenien während der 70 Jahre mehr als verhundertfachte. Einen großen Beitrag zur Entwicklung der Republik leisteten damals Tausende russischer Fachkräfte, die tschetschenische Kader faktisch „vom Nullpunkt an” ausbildeten. Die Russen halfen nicht nur bei der Organisation der Produktion, sondern auch bei der Beseitigung des Analphabetentums in der örtlichen Bevölkerung.

 

Wie hoch war die
   Tschetschenische Republik. Ortschaft Komsomolskoje.
      Tschetschenische Republik.
      Ortschaft Komsomolskoje.
Zahl der russischen Einwohner in Tschetschenien, als 1991 das Regime von Dudajew an die Macht kam?

Laut Angaben der Volkszählung von 1989 lebten in Tschetschenien damals bis zu 294 000 Russen. Sie bildeten die zweitgrößte ethnische Gruppe der Republik. Doch seit Anfang der 90er Jahre verübten die militanten Separatisten im Grunde Genozid an der russischen Bevölkerung Tschetscheniens. Wer glücklicherweise der Hinrichtung oder der Gefangenschaft entrinnen konnte, floh aus der aufrührerischen Republik in die nahen Gebiete Rußlands. Betroffen wurden damals nicht nur die Russen, sondern auch viele andere Völker, die in Tschetschenien lebten.

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II. Tschetschenische Krise. Die wichtigsten Ereignisse.

Es besteht die Meinung, daß das tschetschenische Problem in seiner heutigen Form in vieler Hinsicht durch die tragische Vergangenheit der Tschetschenen im zaristischen und dann im sowjetischen Rußland bedingt sei. Ist dem wirklich so?

Die Geschichte des tschetschenischen Volkes weist in der Tat düstere Kapitel auf. Während des Kaukasuskrieges von 1817 - 1864 erlitten die Tschetschenen große Verluste, und er schloß mit der Unterordnung Tschetscheniens durch die russische Armee, die dabei ebenfalls 77 000 Soldaten und Offiziere verlor.

In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts waren in der Region die Geistlichen, die Intelligenz und jene Bauern, die sich der Zwangskollektivierung widersetzten, Massenrepressalien ausgesetzt. Doch geschah das zu Stalins Zeiten überall in der UdSSR. 1944 wurden etwa 430 000 Tschetschenen und 100 000 Inguschen der Kollaboration mit den Hitlerokkupanten beschuldigt und nach Kasachstan und Mittelasien deportiert.

Aber 1957 wurde die Autonome Republik der Tschetschenen und Inguschen im Bestand Rußlands wiederhergestellt, und es begann die Rückkehr der Wainachen in ihre historische Heimat. In den nachfolgenden 30 Jahren entstanden dort rd. 200 Erdölförderbetriebe und Erdölraffinerien, Betriebe der Energiewirtschaft, des Maschinenbaus, der Leicht- und der Lebensmittelindustrie. In der Stadt Grosny allein wurden drei Hochschulen eröffnet. Im März 1991 stellte die Regierung bedeutende zusätzliche Mittel für die sozialökonomische Entwicklung der Autonomen Republik der Tschetschenen und Inguschen bereit.

Überhaupt hatten die Tschetschenen in den Jahren der Perestroika in der UdSSR und besonders nach Beginn der grundlegenden Reformen in Rußland, wie man meinen sollte, eigentlich keinen Grund, über die Haltung von Moskau zu ihnen zu klagen.

Erstmals seit vielen Jahren wurde 1989 ein örtlicher Einwohner zur höchsten Amtsperson in der Autonomen Republik der Tschetschenen und Inguschen. Tschetschenen besetzten in der Republik auch die meisten verantwortlichen Posten. Der Tschetschene Ruslan Chasbulatow wurde 1991 zum Vorsitzenden des Obersten Sowjets der RSFSR gewählt, und sein Landsmann Salabmek Chadshijew war Mitglied des Obersten Sowjets der UdSSR und Minister für Chemie- und Erdölverarbeitungsindustrie der UdSSR. Der Tänzer Machmud Essambajew und andere Vertreter des tschetschenischen Volkes gehörten zur künstlerischen und intellektuellen Elite des Landes.

1991 verabschiedete das russische Parlament das Gesetz „Über die Rehabilitierung der repressierten Völker”. Darin wurden die ungesetzlichen Akte des Stalinschen Regimes gegenüber den Tschetschenen, Inguschen und einigen anderen nordkaukasischen Völkern erneut verurteilt. Das Gesetz sah konkrete Maßnahmen zur endgültigen Beseitigung der Folgen der Deportation und zur sozialökonomischen Entwicklung der Republiken dieser Region vor. Der Präsident von Rußland, Boris Jelzin, gab in einer speziellen Botschaft an die Völker Nordkaukasiens anläßlich des 130. Jahrestags der Beendigung des Kaukasuskrieges den negativen Momenten in der früheren Politik von Moskau eine prinzipienfeste Einschätzung. Er rief die Einwohner der Region auf, um der Prosperität all ihrer Völker willen im Rahmen einer einheitlichen demokratischen Föderation zusammenzuarbeiten.

Dudajews Regime, das Anfang der 90er Jahre die Macht in Tschetschenien an sich riß, ignorierte unverhohlen die breiten Möglichkeiten einer freien Entwicklung des tschetschenischen Volkes im Bestand Rußlands. Entgegen den Interessen und Erwartungen der meisten Einwohner Tschetscheniens schlug Dudajews Spitzengruppe den separatistischen antirussischen Weg ein und versuchte, die Situation in ganz Nordkaukasien zu destabilisieren.

 

Trug das föderale Zentrum nicht selbst dazu bei, daß an die Macht in Tschetschenien Separatisten kamen?

Bewußt tat das selbstverständlich weder die sowjetische noch die russische Führung, wenn auch zugegeben werden muß, daß es Fehler gab, und die Separatisten nutzten sie geschickt aus.

Den Isolationismus und die Machtbesessenheit Dudajews stachelten die im gleichen Geiste gesinnten Führer der separatistischen Bewegungen im Baltikum schon seit Ende der 80er Jahre an. Es sei daran erinnert, daß Generalmajor Dshochar Dudajew damals Divisionskommandeur der Bombenfliegerkräfte in Tartu (Estland) war und nach Grosny im Sommer 1990 übersiedelte, nachdem er die Reihen der Sowjetarmee verlassen hatte.

Seine separatistischen Bestrebungen wurden von Chauvinisten islamischer Prägung vom Schlage eines Selimchan Jandarbijew noch geschürt. Sie trugen auch dazu bei, daß Dudajew im Juni 1991 zum Führer des Gesamtnationalen Kongresses des tschetschenischen Volkes wurde. Aber besonders gelegen kam dem „rebellischen General” der politische Kampf im Lande, der sich zwei Monate später, nach der Unterdrückung des Putsches in Moskau, entfaltete. Mehr noch, im Mai 1992 ging die damalige militärische Führung Rußlands auf die ultimativen Forderungen der Separatisten ein und zog eilig die in Grosny dislozierte Garnison der russischen Armee aus der Republik ab. Im Zuge ihrer übereilten Evakuation geriet ein bedeutender Teil der Rüstung, Technik und Munition in die Hände von Dudajews Anhängern: über 25 Kampfpanzer, rd. 30 Schützenpanzer, über 80 Geschütze und Granatwerfer sowie ungefähr 40.000 Einheiten Schützenwaffen.

 

Bekanntlich wurde Dudajew ausgenutzt, um in der Autonomen Republik der Tschetschenen und Inguschen die örtliche kommunistische Partei- und Staatsnomenklatura mit Doku Sawgajew an der Spitze auszuschalten. Das wäre einerseits. Andererseits aber war es so, als hätten Chasbulatow und andere Mitglieder der russischen Führung bei den separatistischen Bestrebungen der Dudajew-Gruppierung gleichsam beide Augen zugedrückt.

Das stimmt. Obwohl das föderale Zentrum die Gesetzlichkeit der von Dudajew im Oktober 1991 in Szene gesetzten Wahlen des neuen tschetschenischen Präsidenten und des tschetschenischen Parlaments wie auch die seines Erlasses „Über die Ausrufung der Souveränität der Tschetschenischen Republik” vom 1. November 1991 nicht anerkannte, wurde der Kurs auf Befriedung der Separatisten weiter gesteuert.

Noch drei Jahre darauf ließ Moskau von Versuchen nicht ab, sich mit Dudajew im Guten zu verständigen. Die Antwort darauf war eine Welle von Gewalttätigkeiten gegenüber der Zivilbevölkerung der Republik. Um sich vor Dudajews Halsabschneidern zu retten, verließen zwischen Januar und Juni 1992 etwa 40.000 Personen, hauptsächlich Russen, die Republik. Allein im ersten Jahr nach Dudajews Machtantritt fielen mindestens rd. 5.000 schuldlose Menschen der blutigen Willkür zum Opfer. In Tschetschenien fanden inzwischen über 1.200 rückfällige Kriminelle Zuflucht, darunter die Terroristen unter Schamil Bassajew, der im November 1991 vom Flughafen von Mineralnyje Wody ein Passagierflugzeug entführt hatte.

Unter Dudajews Kommando wurden aus der örtlichen Bevölkerung bewaffnete Formationen aufgestellt, die bis zu 30.000 Mann stark waren. Außerdem warben die Dudajew-Anhänger rund 6.000 ausländische Söldner an. Mehr noch, die Separatisten arbeiteten eine Operation unter dem Codenamen „Schwalbe” aus, deren Ziel darin bestand, Diversionen auf Rußlands Territorium, einschließlich der Bombenangriffe aus der Luft, zu verüben. Hierbei setzte sich der meuternde General über das föderale Zentrum ganz einfach hinweg. Eben darauf erschienen Boris Jelzins Erlasse „Über Maßnahmen zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Gesetzlichkeit und Rechtsordnung auf dem Territorium der Tschetschenischen Republik” vom 29. November 1994 und „Über Maßnahmen zur Unterbindung der Tätigkeit der ungesetzlichen bewaffneten Formationen auf dem Territorium der Tschetschenischen Republik und in der Zone des ossetisch-inguschischen Konfliktes” vom 9. Dezember 1994.

 

Warum ist Moskau auf die Unterzeichnung der Abkommen von Chassawjurt mit der separatistischen tschetschenischen Führung im August 1996 eingegangen?

Es ist vor allem notwendig, die Chronologie der Ereignisse jener Zeit zu reproduzieren. Am 11. Dezember 1994 hat die Operation der föderalen Truppen in Tschetschenien begonnen. In der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar 1995 sind sie zum Sturm auf Grosny angetreten. Die dudajewsche Führung war gezwungen, bereits Mitte März die Reste der Formationen in die Bergrayons des Südens der Republik auseinanderzuziehen, wenngleich auch ihr erbitterter Widerstand andauerte.

Ende März 1995 funktionierten auf dem beträchtlichen Teil des tschetschenischen Gebiets örtliche Selbstverwaltungsorgane, Rechtsschutzorgane und die Regierung der nationalen Wiedergeburt. Für die Ausarbeitung des Entwurfs der Verfassung der Tschetschenischen Republik und die Vorbereitung von Normativakten über die Durchführung der freien Wahlen dort wurde das Komitee des nationalen Einvernehmens der Tschetschenischen Republik unter der Leitung von Umar Awturchanow eingesetzt.

Damals fand in Pjatigorsk auch eine Konferenz zur Herbeiführung des nationalen Einvernehmens und der Aussöhnung in der Tschetschenischen Republik statt. An der Arbeit des Forums nahmen praktisch Vertreter aller tschetschenischen Tejps, die Ältesten und angesehene religiöse Autoritäten teil. Es wurde die Charta des nationalen Einvernehmens in Tschetschenien gebilligt.

Am 12. April 1995 nahm die Staatsduma das föderale Gesetz „Über provisorische Maßnahmen zur politischen Regelung der Krise in der Tschetschenischen Republik” an. Durch dieses Gesetz wurde faktisch der Plan einer schrittweisen Regelung der Krise mit friedlichen Methoden bestätigt.

Alle diese Maßnahmen wurden jedoch nicht zu Ende
Befreiung der Geiseln, die von der Gruppe bewaffneter Extremisten die unter Leitung von Schamil Bassajew genommen wurden, aus dem städtischen Krankenhaus. Region Stawropol, Budjonnowsk, 1995.    
Befreiung der Geiseln, die von der Gruppe bewaffneter Extremisten
die unter Leitung von Schamil Bassajew genommen wurden, aus dem
städtischen Krankenhaus. Region Stawropol, Budjonnowsk, 1995.
geführt. Die Hauptursache dafür lag natürlich im Unwillen der Separatisten, Verhandlungen zu führen, wobei sie von ihren ausländischen Sponsoren unterstützt wurden. Die letzteren stellten für die Hilfe für das Dudajew-Regime Dutzende Millionen Dollar jährlich bereit.

Die Banditen unter dem Befehl von Schamil Bassajew und Salman Radujew verübten im Juni 1995 in Budjonnowsk und im Januar 1996 in Kisljar großangelegte Terrorakte, bei denen Kränkenhäuser mit Tausenden Geiseln besetzt wurden. Damals kamen rund 200 Zivilpersonen und Militärangehörige ums Leben.

Letzten Endes gewann in der Führung des Landes, entgegen der Meinung vieler Politiker und Militärs, der Standpunkt die Oberhand, daß das föderale Zentrum für eine bestimmte Zeit von der Lösung des Problems der Tschetschenischen Republik Abstand nehmen und den Tschetschenen selbst die Möglichkeit geben sollte, selbständig ihre gegenseitigen Beziehungen zu klären.

 

Beeinflußte der Umstand, daß im April 1996 der Anführer der Separatisten Dudajew durch eine Rakete vernichtet worden war, die Entstehung solcher Stimmungen?

Wie dem auch sei, aber im Sommer 1996 wurde nach der Wiederwahl von Boris Jelzin zum Präsidenten des Landes für die zweite Amtszeit in seinem Namen vom Sekretär des Sicherheitsrates der RF Alexander Lebed im dagestanischen Dorf Chassawjurt ein Abkommen mit der separatistischen Führung Tschetscheniens in Person von Aslan Maschadow unterzeichnet. Das Dokument trug den Titel: „Über die Prinzipien der Bestimmung der Grundlagen der gegenseitigen Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Tschetschenischen Republik”.

Es war vorgesehen, diese Beziehungen „in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Normen und Prinzipien des Völkerrechtes”, nicht aber auf der Grundlage der Verfassung der RF, die im Wortlaut des Abkommens überhaupt nicht erwähnt worden war, zu regeln. Mit anderen Worten erkannte Rußland gleichsam de facto die Unabhängigkeit Tschetscheniens an.

Aber ein weiterer Fehler war es, daß Moskau auf die Rückführung aller föderalen Militärformationen aus der Tschetschenischen Republik vor Ende 1996 eingegangen war.

 

Und wie war der Preis dieser Fehler?

Wollen wir das in kurzen Worten sagen, so hat sich das separatistische Regime in Tschetschenien in ein gegenüber seinem Volk und ganz Rußland offen banditisch-terroristisches Regime verwandelt und das föderale Zentrum dadurch dazu gezwungen, die Truppen erneut ins Gebiet der Tschetschenischen Republik einmarschieren zu lassen.

Das Jahr 1997 begann mit der Durchführung der Präsidentschaftswahlen in Tschetschenien unter der Kontrolle einer Gruppe von 60 Vertretern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Ungeachtet dessen, daß eine unzureichende Zahl der Wahlberechtigten in den Wahllokalen erschienen war, wurde Aslan Maschadow, ehemaliger Stabschef der ungesetzlichen bewaffneten Formationen, mit 59,3 Prozent der Stimmen zum Präsidenten der Tschetschenischen Republik gewählt.

Damals setzte das föderale Zentrum in diesen Exobersten der Sowjetarmee bestimmte Hoffnungen. Im Vergleich zum exaltierten Dudajew wirkte er ausgeglichener und verständiger. Darum unterzeichnete Boris Jelzin am 12. Mai 1997 mit Maschadow im Kreml den Vertrag „Über den Frieden und die Prinzipien der gegenseitigen Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Tschetschenischen Republik Itschkerien”.

Das Dokument korrigierte in gewissem Maße den Kasus von Chassawjurt mit der faktischen Anerkennung Tschetscheniens als Subjekt des Völkerrechtes. Und doch blieb die Doppelsinnigkeit bestehen, weil die Tschetschenische Republik ungeachtet des sogenannten aufgeschobenen Status gleichsam auf den gleichen Rechtsstand mit der ganzen Föderation erhoben wurde, wobei sie zugleich deren Teilrepublik geblieben war.

 

Stimmt es, daß das separatistische Regime nicht einmal daran dachte, auf seine Ansprüche zu verzichten?

Das stimmt. Bei einem Moskau-Besuch des neugewählten Präsidenten der Tschetschenischen Republik im August 1997 schlug Maschadow Boris Jelzin den Entwurf eines umfassenden Vertrags vor, laut dem Tschetschenien zum unabhängigen Staat erklärt werden sollte. Diesen Standpunkt vertrat die tschetschenische Delegation einen Monat später bei den Verhandlungen in Dagomys über die Vorbereitung auf die Unterzeichnung eines politischen Vertrags und hintertrieb sie praktisch von allem Anfang an. Zugleich forderten die Maschadow-Leute von Rußland, „Kompensationen für den vieljährigen Krieg gegen das tschetschenische Volk” in Höhe von 25,8 Mrd. US-Dollar auszuzahlen.

Das föderale Zentrum, das seine Taktik befolgte, setzte seinerseits das Spiel mit den Separatisten fort und versuchte zugleich, die Bevölkerung der Republik für sich zu gewinnen. Bis zum Sommer 1999 stellte die föderale Macht der Administration von Maschadow finanzielle und materielle Ressourcen zur Verfügung, die für die Auszahlung von Renten, Löhnen und Zuwendungen bestimmt waren. Aber einfache, friedliche Menschen erhielten sie nicht, weil die Mittel entweder entwendet oder für die Finanzierung ungesetzlicher bewaffneter Formationen verwendet wurden.

In drei Jahren der Eigenmacht führte das tschetschenische Regime die Republik zu wirtschaftlichem Kollaps, Hunger, restloser Zerstörung des sozialen und geistigen Bereichs, zum offenen Genozid gegenüber den Angehörigen anderer Völker, die früher in Tschetschenien gelebt hatten. Es genügt der Hinweis, daß in dieser Periode mehr als 250.000 Bürger die Republik verlassen und Hunderttausende die Arbeit verloren haben.

In Tschetschenien wurden öffentliche Hinrichtungen auf Plätzen veranstaltet. Der Menschenraub mit dem Ziel, Lösegeld zu erhalten, verwandelte sich in ein einträgliches Geschäft, das von dem Maschadow-Regime kontrolliert wurde. Daran waren mehr als 60 bewaffnete Verbrechergruppen beteiligt, die insgesamt mehr als 2.500 Mitglieder zählten. Vor dem Sommer 1999 gab es in Tschetschenien bis zu 1.200 Geiseln, darunter Kleinkinder und Bürger anderer Staaten. Wie die als Geiseln genommenen Menschen behandelt worden sind, ist dank den erhaltengebliebenen Videoaufnahmen bekannt.

 

Wurde das Territorium der Republik wirklich zum Umschlagsplatz für Waffenhändler?

Nicht nur für Waffenhändler. Tschetschenien hatte sich in einen Transitkanal für den Drogentransport aus dem Iran, Pakistan, der Türkei und Afghanistan in die Baltikum-Länder, Großbritannien, Spanien und andere europäische Staaten verwandelt. Außerdem waren im Gebiet der Republik, wie in einer Begutachtung des Justizministeriums Rußlands festgestellt wurde, vier Werke für die Heroinproduktion entdeckt worden.

Vor diesem kriminellen Hindergrund erfolgte die Ausartung des tschetschenischen Separatismus. Religiöse Extremisten und Banditen aus der ganzen Welt vom Schlage des Terroristen Chattab, der den Beinamen „der schwarze Araber” hatte, die in Tschetschenien Zuflucht gefunden hatten, verfolgten ihre eigenen ideologischen und aggressiven Ziele, die mit den Interessen des tschetschenischen Volkes nichts gemein hatten.

Tschetschenien wurde die Rolle eines Aufmarschgebietes für die Umsetzung der ambitiösen Pläne zur Schaffung eines mittelalterlichen Khalifats vom Schwarzen Meer bis zur Kaspisee eingeräumt.

 

Wie reagierte darauf Maschadow?

Bald rief er dazu auf, die Terroristen zu vernichten, bald ernannte er sie zu seinen Stellvertretern, wie es mit Bassajew, einem Funktionär der internationalen Terrororganisation „Moslembrüder”, der Fall gewesen war. Bassajew hatte den Posten des Vizepremiers bekleidet und war 1998 sogar amtierender Premier gewesen. Maschadow selbst organisierte Ausfälle von Banditen und verurteilte zugleich nach dem Fiasko solcher Aktionen die Ausführenden. Mit seiner Vorschubleistung war es soweit gegangen, daß im Herbst 1999 ein direkter Überfall auf das benachbarte Dagestan sowie eine ganze Serie der Sprengungen von Wohnhäusern in Moskau und einer Reihe anderer Städte verübt worden war, die nahezu 300 Einwohner Rußlands das Leben kosteten.

”Es ist Maschadow gewesen, der Rußland und Tschetschenien zu einem Krieg geführt hat”, erklärte der Präsident der RF Wladimir Putin beim Treffen mit Vertretern der tschetschenischen Öffentlichkeit im Kreml am 10. November 2002. Und fügte hinzu: „Es wird kein zweites Chassawjurt geben.”

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Antiterroroperation in Tschetschenien

Wie entfalteten sich die Kampfhandlungen in der Anfangsetappe der Antiterroroperation in Tschetschenien? Welche Aufgaben hatten sich die Separatisten gestellt? Wer befehligte sie?

Die Antiterroroperation der russischen Truppen in Nordkaukasien begann in den ersten Augusttagen 1999.

Damals waren die ersten Gruppen und Abteilungen der tschetschenischen bewaffneten Separatisten nach Dagestan eingedrungen.

Die Rädelsführer der Invasion waren Schamil Bassajew, der früher den Überfall auf Budjonnowsk geleitet hatte, und der damals noch wenig bekannte Hattab, der mit dem internationalen Terroristen Bin Laden liiert war. Ihr Hauptziel war die Besetzung von Machatschkala und der Zugang zur Kaspisee.

Es wurde bekannt, daß das sogenante „Präsidium des Kaukasischen Hauses zur Befreiung Tschetscheniens und Dagestans”, dem Mowladi Udugow sowie die Brüder Bassajew und Chatschilajew vorstanden, den Plan einer Meuterei in Machatschkala bestätigt hatte. Laut diesem Dokument hatten die bewaffneten Separatisten vor, im Zeitraum vom 5. bis 8. August 1999 die Hauptstadt Dagestans zu besetzen, sie in Verantwortungszonen der Feldkommandeure zu gliedern, Geiseln zu nehmen und danach der Regierung dieser Republik ein Ultimatum mit der Forderung, zurückzutreten, zu stellen.

Früh am Morgen des 7. August fuhren aus Tschetschenien nach Dagestan Kolonnen von schweren KamAZ-Lastwagen, in denen sich bis zu 2.000 gutbewaffnete Separatisten befanden. Das waren nicht nur Tschetschenen, sondern auch viele ausländische Söldner. Ihnen schlossen sich bald örtliche Wahhabiten an. Sie besetzten einige Dörfer in den Rayons Botlich und Nowolakskoje und beeilten sich, auf dem von ihnen besetzten Territorium einen islamischen Staat zu proklamieren.

 

Wie reagierten die föderalen Behörden auf den Einfall in Dagestan? Welche Maßnahmen wurden in diesem Zusammenhang ergriffen?

Diese offene Aggression der tschetschenischen Separatisten war selbstverständlich eine ernste Herausforderung der zentralen Macht. Wären die Pläne der vereinigten Extremisten umgesetzt worden, so wäre Rußland von Transkaukasien abgeschnitten. Die Terroristen hätten Moskau ihre Bedingungen diktiert. In der absolut neuen geopolitischen Situation hätten die Geiselnahme, die Banditenüberfälle, Explosionen auf den Märkten und Bahnhöfen kein Ende genommen.

Die Entschlossenheit der russischen Führung, der Heldenmut der Soldaten und Offiziere ermöglichten es, die Aggression abzuwehren. Die Pläne der Terroristen wurden vereitelt.

 

Bekanntlich hat das Volk Dagestans jedoch die Pläne der bewaffneten Wahhabiten nicht unterstützt.

Den ersten Schlag der vereinigten Kräfte der Extremisten hatten die operativ aufgestellten Abteilungen der dagestanischen Volkswehr und die örtliche Miliz abzuwehren. In der Republik wurde die allgemeine Mobilmachung verkündet. Die Worte des Vorsitzenden des Staatsrates Dagestans Magomedali Magomedow „Jeder Dagestaner muß zum Verteidiger und Aufklärer zugleich werden” wurden damals von allen Einwohnern Dagestans als Aufruf zum Kampf aufgefaßt. Gerade dieser Umstand brachte die bewaffneten Separatisten zur Einsicht darin, daß sie bei der Hauptmasse der Einwohner von Dagestan keine Unterstützung finden werden.

 

Gibt es konkrete Beispiele der Abwehr der bewaffneten Extremisten durch Ortsbewohner?

Es ist ein Fall bekannt, daß 40 dagestanische Milizionäre und Angehörige der Sondermilizabteilung (OMON), Lipezk, die sich in der Einkreisung befanden, drei Tage und Nächte lang dem Ansturm der mehrfach überlegenen Kräfte der bewaffneten Separatisten standhielten. Volkswehrangehörige und örtliche Milizangehörige unter dem Befehl des Obersten Chadshimurat Kurachmanow stießen vor, um ihnen Unterstützung zu erweisen. Unter der Deckung der herbeigeeilten Panzertechnik gelang es den Milizangehörigen, aus der Einkreisung auszubrechen und sich mit den Hauptkräften der föderalen Truppen zu vereinigen.

In Dagestan traf eiligst militärische Verstärkung aus anderen Regionen Rußlands ein. Dabei gingen örtliche Volkswehrangehörige zusammen mit den Soldaten in den Kampf gegen die Separatisten.

 

Wie endete die Operation zur Befreiung des Gebiets von Dagestan von den eingedrungenen bewaffneten Separatisten?

   Stadtmitte von Grosny, 1997.
      Stadtmitte von Grosny, 1997.

Im Ergebnis der entschlossenen Handlungen gelang es den föderalen Truppen, gegen Ende August die bewaffneten Separatisten ins Gebiet Tschetscheniens zu verdrängen. Danach wurde die russische Truppengruppierung auf die Vernichtung der eingedrungenen Wahhabiten umorientiert, die sich in einer Reihe von Dörfern im zentralen Teil von Dagestan verschanzt hatten und diese Ortschaften viele Monate lang kontrollierten.

Aber die rund 2.000 Mann starken Abteilungen der bewaffneten Separatisten führten nach der Umgruppierung einen neuen Schlag gegen Dagestan vom Territorium Tschetscheniens. Im Ergebnis der schweren Kämpfe, die eine Woche lang dauerten, brachten die Armeeeinheiten und Truppen des Innenministeriums den bewaffneten Separatisten eine neue Niederlage bei. Seitdem unternahm der Gegner keine Versuche mehr, ins Gebiet der Republik Dagestan mit starken Abteilungen einzudringen.

 

Worin lag die Ursache dafür, daß die Handlungen der föderalen Truppen auf das Territorium Tschetscheniens verlegt worden waren? Wie war der weitere Ereignisgang?

Der Beschluß über die Verlegung der Kampfhandlungen auf das Territorium Tschetscheniens wurde von der russischen Führung gefaßt, nachdem im September 1999 Explosionen in Moskau und Städten Südrußlands gedonnert hatten, die hunderte Menschenleben dahin rafften und eine Rache der Separatisten für ihre Niederlage in Dagestan waren. Am 14. September bombardierten die föderalen Fliegerkräfte notgedrungen mehr als 100 strategisch wichtige Objekte auf dem Territorium Tschetscheniens.

Die Landoperation begann am 30. September mit dem Ziel, beherrschende Höhen an der Grenze einzunehmen. Gegen Ende Oktober stellten die russischen Truppen ein Drittel des gesamten Gebiets der Republik unter ihre Kontrolle und rückten Schritt für Schritt zur tschetschenischen Hauptstadt vor. Dabei gab das Armeekommando klar zu verstehen, daß es die Fehler der vorangegangenen Kampagne nicht wiederholen will. Es wurde beschlossen, die Operation fortzusetzen, bis die Terroristen vernichtet worden sind.

 

Bekanntlich wurden die erbitterten Kämpfe um die Einnahme von Grosny ausgetragen. Welche Besonderheiten hatte diese Operation?

Aktive Handlungen zur Vernichtung der Banditenformationen in der Hauptstadt der Republik begannen Ende Dezember 1999. Der Sturm erfolgte nach der Methode des „Herausdrückens” der bewaffneten Separatisten aus den Stadtvierteln. Dabei wurden aktiv Fliegerkräfte und Artillerie eingesetzt, was ermöglichte, die Verluste der angreifenden föderalen Truppen erheblich herabzusetzen.

Präzendenzlos war ihrem Maßstab nach die Operation „Wolfsjagd”, die am 1. Februar 2000 durchgeführt worden war.

Es gelang, durch Täuschungsmanöver mehrere Tausende Banditen aus der Stadt herauszulocken. Sie gerieten auf Minenfelder, die von den föderalen Truppen gelegt worden waren, und verloren rund 1 500 Mann. Unter ihnen befanden sich mehrere bekannte Feldkommandeure. Der Anführer der bewaffneten Separatisten Schamil Bassajew erlitt dabei eine schwere Verletzung, und ihm wurde später ein Bein amputiert.

 

Dabei wurden aber doch nicht alle Banditen vernichtet. Einem beträchtlichen Teil davon gelang es, aus der Stadt auszubrechen?

Aus der Stadt konnte lediglich die Abteilung unter dem Befehl von Ruslan Gelajew ausbrechen. Seine Bande wurde jedoch bald darauf im Dorf Komsomolskoje blockiert. Im Sturm wurden rund 800 Banditen vernichtet. Gelajew selbst ließ seine Unterstellten im Stich und floh aus Komsomolskoje, weswegen er später vom Brigadegeneral zum Soldaten degradiert wurde.

 

Wie gelang es später, die größten Banditenformationen zu zerschlagen?

Die bewaffneten Separatisten rechneten nach der Niederlage auf dem Flachland damit, sich in den Bergrayons der Republik festsetzen zu können, um von dort Überfälle auf die von den föderalen Truppen besetzten Städte und Dörfer zu verüben. Um diese Pläne zu vereiteln, wurden Ende Dezember 1999 in Itum-Kale, im Südteil der Argun-Schlucht, russische Grenzsoldaten und Angehörige der Luftlandetruppen abgesetzt. Im Verlauf der Operation wurden alle Hauptwege abgeschnitten, auf denen den Banditen Munition aus Georgien geliefert worden war, sowie alle Straßen und Pfade abgesperrt, auf denen sich die Banditenformationen hätten zurückziehen können. Zugleich wurden auch die tschetschenischen Abteilungen im Rayon Wedeno von den Hauptkräften abgeschnitten. Alle Versuche der Tschetschenen, die Luftlandeeinheit zu vernichten, blieben erfolglos.

Im Februar 2000 begann das planmäßige Herausdrücken der Banditen von den Bergen auf das Flachland, wo sie von den mit schwerer Technik und Waffen ausgerüsteten föderalen Truppen „in Empfang genommen wurden”.

Im Ergebnis gerieten die bewaffneten Separatisten in eine kritische Lage. Große Banditenformationen waren zerschlagen worden, kleine Abteilungen waren aber nicht mehr in der Lage, einigermaßen bedeutsame Kampfhandlungen zu führen. Sie begannen Methoden des Partisanenkrieges anzuwenden, das heißt Straßen zu verminen, Sprengungen an den Dislozierungsorten der föderalen Truppen und Terrorakte gegen russische Militärangehörige und Vertreter der örtlichen Macht zu verüben.

 

Gibt es Angaben über die Zahl der bewaffneten Separatisten, die immer noch Widerstand den föderalen Truppen leisten?

Laut vorliegender Angaben sind heute vereinzelte Banden der bewaffneten Separatisten insgesamt rund 1.000 Mann stark. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich ungefähr 4.000 Extremisten in verschiedenen tschetschenischen Städten und Dörfern als Zivilisten ausgeben.

 

Was läßt sich über die Besonderheiten der Antiterroroperation unter den heutigen Verhältnissen sagen?

Früher
   Soldaten der 46. Brigade der Innentruppen des Innenministeriums der RF, Tschetschenien. 2003.
      Soldaten der 46. Brigade der Innentruppen des Innenministeriums
      der RF, Tschetschenien. 2003.
war zwar der Abzug der überschüssigen Truppen vom Territorium der Tschetschenischen Republik bekanntgegeben worden, dieser Prozeß wurde jedoch nach den bekannten Ereignissen in Moskau, die mit der Geiselnahme durch die Banditen von Mowsar Barajew im Oktober 2002 im Theaterzentrum an der Dubrowka zusammenhingen, vorübergehend eingestellt.

Wie der Verteidigungsminister der RF, Sergej Iwanow, sagte, sollen jetzt gezielte und Punktschläge gegen ausgemachte Banditen und ihre Basen geführt werden. Das bedeutet eine beträchtliche Verstärkung der Aufklärung und der Sonderabteilungen wie auch den Ausschluß von massierten Flieger- und Artillerieeinsätzen gegen Ortschaften, zugleich aber härtere Säuberungen dort, wo tatsächlich Terroristen festgestellt worden sind. Geplant ist auch eine Erhärtung des Regimes, besonders in der Nähe der Dislozierungsorte der Militäreinheiten.

 

Welche Aufgaben hat der Grenzdienst im Kampf gegen die Terroristen zu lösen?

Die bewaffneten Separatisten geben ihre Versuche nicht auf, nach Rußland vom Territorium Georgiens durchzubrechen. Die Aufgabe der Grenztruppen besteht darin, die Räume der Durchführung der Antiterroroperationen in der Nähe der Staatsgrenze zu isolieren sowie die Kanäle der finanziellen und materiell-technischen Hilfe für die Banditenformationen aus dem Ausland zu ermitteln und abzusperren.

Im Zusammenhang damit haben die Abteilungen der Argun-Grenzbereitschaft ihre Kontrolle über den Abschnitt der russisch-georgischen Grenze errichtet, die insgesamt mehr als 80 km lang ist. Auch die Kontrolle an den Durchlaßstellen an der Grenze Rußlands mit Georgien und Aserbaidshan ist verstärkt worden.

 

Welche Aufmerksamkeit schenken die föderalen Behörden Fragen der Festigung der Sicherheit der Südgrenzen Rußlands?

Rußland ist
 Soldat der 46. Brigade der Innentruppen des Innenministeriums der RF, Tschetschenien. 2003.   
Soldat der 46. Brigade der Innen-
truppen des Innenministeriums
der RF, Tschetschenien. 2003.
sich in vollem Maße darüber klar, daß der Terrorismus mit halben Maßnahmen nicht überwältigt werden kann. In Übereinstimmung mit einer Anweisung des Präsidenten der RF, Wladimir Putin, ist ein Komplexplan zur Verstärkung des Schutzes der russischen Staatsgrenze, besonders mit Georgien und Aserbaidshan, ausgearbeitet worden. In erster Linie ist vorgesehen, die technische Ausrüstung dieses Abschnitts der russischen Grenze zu erhöhen. Nebenbei gesagt, ist hier bereits die höchste Truppendichte der Grenzsicherung erreicht worden. Das bedeutet, daß auf einen Kilometer der Grenze drei- bis viermal so viele Grenzsoldaten als auf den anderen Abschnitten der Staatsgrenze entfallen.

Im Oktober 2002 ist zwischen der Führung der Grenztruppen Rußlands und Georgiens ein Protokoll unterzeichnet worden, das berufen ist, die Situation an der russisch-georgischen Grenze zu stabilisieren. Dieses Dokument sieht u.a. den gemeinsamen Streifendienst der russischen und georgischen Grenzposten in den wichtigsten Grenzbereichen vor.

Das Protokoll ist das praktische Ergebnis der vom Präsidenten Rußlands, Wladimir Putin, und dem Präsidenten Georgiens, Eduard Schewardnadse, im Verlauf des neulichen GUS-Gipfeltreffens in Chisinau getroffenen Vereinbarungen. Das Dokument ist vor allem auf die Abwendung der illegalen Grenzüberschreitung durch tschetschenische bewaffnete Separatisten gerichtet.

Vor kurzem wurde der Beschluß gefaßt, an die russisch-georgischen Grenze vor März 2003 eine weitere Grenzbereitschaft für besondere Verwendung zu verlegen, um die Deckungen der verwundbarsten Hochgebirgsabschnitte zu verstärken.

 

Welche Kräfte der föderalen Truppen sind heute in Tschetschenien konzentriert?

Laut Angaben per Ende Dezember 2002 steht in Tschetschenien eine 80.000 Mann starke Vereinigte Gruppierung der russischen Truppen. Das ist in erster Linie die 42. mot. Schützendivision, die in Tschetschenien ständig stationiert ist, der einzige allgemeine, bis zu 15.000 Mann starke Verband in Rußland, der nach dem Kriegsstellenplan aufgestellt worden ist. Seine Hauptschlagkraft bilden das 70., 71., 72. und 291. mot. Schützenregiment sowie das 50. Selbstfahrlafettenregiment.

Außerdem sind in Tschetschenien schichtweise taktische Regiments- und Bataillonsgruppen aus verschiedenen Militärbezirken Rußlands eingesetzt. Sie sind insgesamt rund 22.000 Mann stark. Die kampffähigste Einheit der Vereinigten Truppengruppierung bilden 3.000 Luftlandesoldaten.

In Tschetschenien ist ständig auch die 46. Brigade der Innentruppen stationiert, die statt 3.000 Mann laut Stellenplan 10.000 Mann stark ist. Dabei ist auch die 10.000 Mann starke Grenztruppengruppierung zu berücksichtigen, die an der russisch-georgischen Grenze steht.

Je drei bis sechs Monate lang befinden sich in Tschetschenien Angehörige der Sondermilizabteilungen (OMON) und der Schnellen Spezialeingreifabteilungen (SOBR) des Innenministeriums Rußlands, die aus verschiedenen Regionen Rußlands hierher beordert werden. Mehr als 10.000 Milizangehörige und Soldaten sind in den Kommandanturen in allen großen Ortschaften Tschetscheniens eingesetzt.

 

Wieviele Tote und Verwundete haben die rivalisierenden Seiten?

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation hatten die Föderalkräfte seit Oktober 1999 bis März 2002 im Nordkaukasus 3.770 Mann an Toten und 12.796 Mann an Verwundeten. Während der Antiterroroperation wurden in der Tschetschenischen Republik mehr als 14.000 Extremisten getötet und mehr als 29.000 verwundet. Allein seit Beginn 2002 hat die Vereinigte Truppengruppierung unter Teilnahme von Mitarbeitern des Föderalen Sicherheitsdienstes Rußlands knapp 1.000 Banditen vernichtet.

 

Könnte man markante Beispiele für Mut und Tapferkeit anführen, die russische Armeeangehörige an den Tag gelegt haben?

Ende Februar 2000 hatte die von Chattab angeführte Bande versucht, sich im Raum von Ulus-Kert nach Dagestan durchzukämpfen. Russische Aufklärer bekamen Wind davon.

Am frühen Morgen des 28. Februar versuchte die 6. Kompanie des 104. Regiments der Pskower Luftlande-Division unter dem Kommando von Oberst Mark Jewtjuchin, den Banditen den Weg abzuschneiden. Wenige Kilometer von Ulus-Kert lieferten sich beide Seiten ein Gefecht. Aber die Kräfte waren ungleich: Immer mehr tschetschenische Extremisten eilten zur Hilfe. Jewtjuchin faßte den einzig richtigen Beschluß, sich auf die nächste Höhe zurückzuziehen, wo er eine Verteidigungsstellung bezog.

Im Laufe einiger Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit wehrten die Pskower Angriffe ab.

Am nächsten Morgen wurde das Gefecht fortgesetzt. Die am Leben gebliebenen Luftlande-Soldaten lieferten den Tschetschenen ihr letztes Gefecht. Das war ein Nahkampfgefecht. 84 Luftlande-Soldaten kamen ums Leben, nachdem sie fast 500 Extremisten vernichtet hatten. Später stellte sich heraus, daß an der Operation knapp 2.500 Terroristen teilgenommen hatten.

Oder noch ein Beispiel. Der verwundete Grenzer Jewgeni Rodionow wurde gefangengenommen. Ihm wurde das Leben versprochen, wenn er sich zum Islam bekennt und an Erschießungen anderer Kriegsgefangener teilnimmt. Im Laufe von vier Monaten wurde Jewgeni von den Tschetschenen in der Hoffnung verprügelt und gefoltert, seinen Willen zu brechen. Aber der Soldat aus Podolsk bei Moskau kämpfte bis zum letzten Atemzug. Er wurde an seinem 19. Geburtstag grausam hingerichtet.

Soldat Rodionow wurde postum mit dem Orden des Mutes ausgezeichnet. Die Russisch-orthodoxe Kirche prüft die Möglichkeit, ihn zu kanonisieren.

In den Jahren der Konfrontation in Tschetschenien wurden Tausende russischer Soldaten und Offiziere mit hohen Regierungsauszeichnungen gewürdigt. Im ersten Tschetschenien-Krieg wurde 126 und im zweiten Tschetschenien-Krieg 134 Militärs der Titel „Held Rußlands” zuerkannt. 126 Personen erhielten diesen Titel postum.

 

Aber auch einfache friedliche Tschetschenen werden zu Helden...

Der 16-jährige Schüler Magomed Taschuchadshijew aus Grosny kam ums Leben, als er sein Haus und seine Familie vor Extremisten schützen wollte. Magomeds Vater Saidi Taschuchadshijew war Oberleutnant und stellvertretender Milizchef der Abteilung Inneres des Stadtbezirks Sawodskoj von Grosny.

Als Saidis Kollege Rassul Chabussejew bei ihm zu Gast war, brachen ins Haus Banditen ein und erschossen die beiden Milizionäre. Magomed, der sich im benachbarten Zimmer befand, hörte Schüsse, nahm die Maschinenpistole seines Vaters und tötete die Mörder. Das waren die bekannten Feldkommandeure Magomed Zagarajew und Achmed Taschajew. Aber beim Schusswechsel bekam der Junge eine tödliche Verletzung ab. Postum wurde ihm der Titel „Held Rußlands” zuerkannt.

Noch eine mutige Tat wurde vom tschetschenischen Jungen Mussa Achmadow vollbracht. Extremisten wollten einen Terroranschlag verüben und eine Autobombe am Stationierungsort eines Trupps der Moskauer Miliz in Gudermes sprengen. Mussa sah zufällig, daß der Fahrer des mit Sprengstoff bespickten Lasters KamAZ einen Sergeanten der tschetschenischen Verkehrsmiliz erschoß, der versuchte, den Laster zu stoppen, und warnte die Milizionäre. Diese verschanzten sich und bereiteten sich auf ein Gefecht vor. Der Lastkraftwagen wurde 40 Meter vor der Einfahrt zum Truppengelände unschädlich gemacht.

 

Bekanntlich erweisen auch Vertreter anderer Nationalitäten des Kaukasus Hilfe für die russischen Truppen...

Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist die Tat von Lewan Telidse aus dem kleinen georgischen Dorf Tscherewi. Mit Risiko für sein eigenes Leben warnte er russische Grenzer davor, daß eine Einheit der tschetschenischen Extremisten versucht, die russisch-georgische Grenze vom Pankissi-Tal aus zu passieren. Die Grenzer legten einen Hinterhalt. 30 Banditen, darunter ihr Anführer Chassan, wurden getötet. Die anderen 13 zogen sich nach Georgien zurück und wurden dort festgenommen. Vor kurzem wurde Lewan Telidse mit dem Orden des Mutes ausgezeichnet.

Für Heldentaten während der Abwehr einer Aggression der Banditen im August 1999 vom Territorium Tschetscheniens aus wurden 43 Einwohner Dagestans mit Orden und Medaillen ausgezeichnet. Unter ihnen sind Vertreter von 14 Völkerschaften dieser Republik.

 

Wie reagierten die Einwohner in Tschetschenien auf die Geiselnahme im Theaterzentrum an der Dubrowka Ende Oktober 2002 in der russischen Hauptstadt durch die Terroristen?

Natürlich klammern wir die Schadenfreunde der Handlanger der Terroristen aus. Von der Reaktion friedlicher Einwohner Tschetscheniens könnte man an zahlreichen Protestaktionen gegen Verbrechen der Terroristen urteilen, die in Nadteretschny, Gorny, Schatoi und einigen anderen Rayons der Republik wie auch in Grosny und Gudermes stattfanden. In der tschetschenischen Hauptstadt wurden Kundgebungen an drei Hochschulen durchgeführt. Ihre Teilnehmer - Studenten und Dozenten - verwiesen darauf, daß derartige Handlungen der Terroristen die Situation in der Republik selbst und die Lage des tschetschenischen Volkes noch mehr verschlimmern.

Auch Kultur- und Kunstschaffende Tschetscheniens haben den Terrorakt in Moskau scharf verurteilt. In einer Erklärung, die sie in einer republikweiten Beratung angenommen haben, sprachen sie wie das gesamte tschetschenische Volk ihre Anteilnahme für die Geiseln aus.

Seinerseits bezeichnete Achmar Sawgajew, Mitglied des Föderationsrates von der Tschetschenischen Republik, den Beschluß als richtig, die Terroristen vor Ort, unmittelbar im Gebäude des Theaterzentrums an der Dubrowka, zu vernichten. „Das wird eine Lehre für jene sein, die versuchen, ähnliche Terrorakte in Moskau oder anderen Städten zu verüben”, erklärte Sawgajew.

Der Rat der Mufti Rußlands unterstützte in seiner Erklärung den von der russischen Führung gefaßten Beschluß zur Beendigung des Geiseldramas und bezeichnete ihn als „einzig möglich und richtig”.

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Auswärtiger Faktor

Hat sich denn die Einstellung der übrigen Welt zur Antiterroroperation Moskaus gegen die tschetschenischen Extremisten nach deren Terroranschlag vom Oktober 2002 in Moskau geändert?

Es darf keine Doppelstandards bei der Einschätzung des Terrorismus geben. Lange Zeit wurden die tschetschenischen Extremisten im Westen, darunter auch in den Vereinigten Staaten, nicht als Terroristen, sondern als „Kämpfer um die Freiheit und Unabhängigkeit Itschkeriens” sowie ihre Handlungen als „Befreiungskampf” bezeichnet. Selbst Sprengstoffanschläge auf Wohnhäuser in Moskau, Wolgodonsk und Buinaksk im Jahr 1999 mit zahlreichen Opfern wurden nicht berücksichtigt.

Während der Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und anderer internationaler Organisationen wurde dem föderalen Zentrum mehrmals eine nicht adäquate Gewaltanwendung in Tschetschenien vorgeworfen. Zugleich wurden Handlungen der Banditen selbst gerechtfertigt. Unterdessen ist es ein offenes Geheimnis, daß diese sogenannten „Freiheitskämpfer” unschuldige Menschen, darunter auch friedliche Tschetschenen, quälen und töten sowie Geiseln nehmen, darunter auch Bürger westlicher Staaten. So ist Arbi Barajew, ein enger Verwandter des Terroristen Mowsar Barajew, der die Geiselnahme im Moskauer Theaterzentrum an der Dubrowka geleitet hat, an der Entführung von vier Mitarbeitern einer westlichen Telekom-Gesellschaft schuld. Ein Neuseeländer und drei Bürger Großbritanniens wurden später geköpft. Dabei galt es im Westen beinahe als guter Ton, Rußland etwas vorzuwerfen, das im Grunde genommen alleine gegen den internationalen Terrorismus kämpfte.

Die tragischen Ereignisse vom Oktober 2002 in Moskau wurden zum Moment der Wahrheit. US-Botschafter Alexander Vershbow erklärte im Zusammenhang mit dem Oktober-Terrorakt in Moskau: „Die USA und Rußland stehen zusammen.Wir teilen die gleichen Werte und müssen sie gemeinsam verteidigen.” Und noch ein Zitat aus der Zeitung „Los Angeles Times”, die betonte, daß „der Oktober-Terrorakt in Moskau die tschetschenischen Banditen in eine Reihe mit Bin Laden und den Krieg in Tschetschenien, folglich in eine Reihe mit anderen Gliedern des großangelegten Krieges gegen den internationalen Terrorismus gestellt hat”.

 

Hat der Oktober-Terrorakt in Moskau das Verhalten der übrigen Welt gegenüber Aslan Maschadow beeinflußt?

Die tragischen Ereignisse in Moskau mit 129 Toten mußten sich unweigerlich auf die Wahrnehmung Aslan Maschadows und seines Regimes durch das Ausland auswirken. Ein ranghoher USA-Vertreter nannte den Anführer der tschetschenischen Separatisten im Zusammenhang mit dem Terrorakt im Theaterzentrum an der Dubrowka „verdorbene Ware”.

Es sei auf ein Interview des Anführers der Geiselnehmer im Theaterzentrum an der Dubrowka, Mowsar Barajew, an den Reporter der Londoner „Sunday Times” Mark Francetti verwiesen. Darin heißt es klipp und klar, daß Maschadow von der Vorbereitung dieses Terroranschlags in Moskau gewußt habe. Davon zeugt denn auch eine vom katarischen Fernsehsender El Dschasira ausgestrahlte Videoaufnahme, auf der Maschadow verkündete: „Ich zweifle nicht daran, daß wir in der abschließenden Etappe eine einmalige Operation durchführen, die den tschetschenischen Krieg umkehrt und Tschetschenien von den russischen Aggressoren befreit.”

Der Mensch, den die Vereinigten Staaten als Hauptvertreter Tschetscheniens bei geplanten Friedensverhandlungen mit Rußland betrachtet hatten, büßte seine Positionen ein und geriet in absolute Isolation, schrieb die „Los Angeles Times”. Für die USA gilt Maschadow nicht mehr als Chefunterhändler, weil es ihm nicht gelungen ist, sich von den Terroristen und vom Terrorismus als ganzes zu distanzieren.

 

Bislang gibt es in Tschetschenien noch nicht wenig ausländische Söldner, die aktiv an Zusammenstößen mit den föderalen Truppen teilnehmen. Gelingt es, ihren Widerstand zu brechen?

Das größte von den vernichteten Ausbildungszentren der Extremisten war das sogenannte „Lager Chattabs”. Jetzt gibt es weder das Lager noch Chattab. Was stellte dieser Söldner-Anführer dar? Wer ist für ihn eingesprungen?

Dieser Feldkommandeur war Ende März 2002 bei einer Geheimdienst- und Kampfoperation des Föderalen Sicherheitsdienstes Rußlands in einer südlichen Region Tschetscheniens vernichtet worden. Bekanntlich zeichnete sich Chattab, der eine große Bande ausländischer Söldner anführte, durch besondere Grausamkeit gegenüber den Gefangenen aus. Bei ihren Exekutionen bevorzugte er blanke Waffen. Gerade über Chattab erhielten die Extremisten Finanzhilfen einiger nichtstaatlicher Organisationen in Nahostländern.

Jetzt wird die Söldnerbande vom nächsten Handlanger des „Schwarzen Arabers” - Abu el-Walid aus Saudi-Arabien - angeführt. Gerade er unterhält derzeit die wichtigsten Kontakte zur Leitung der internationalen Terrororganisation „Moslembrüder” und löst mit ihnen Fragen der Finanzierung, Information und Propaganda.

 

Wie gelangen ausländische Söldner nach Tschetschenien? Wieviel Söldner gibt es gegenwärtig auf dem Territorium der Republik?

Die eigentlichen Tschetschenen machten bis zuletzt nur ein Viertel der Banden aus, die ihr Unwesen in Tschetschenien trieben. Alle anderen Banditen waren ausländische Söldner. Die Extremisten sickerten auf das Territorium der Republik durch die „transparente” Grenze der früheren UdSSR durch. Während der Kampfhandlungen in Dagestan und Tschetschenien nahmen die Rechtsschutzorgane Bürger Afghanistans, Pakistans, Tadschikistans, Jemens, Saudi-Arabiens und der Türkei fest.

An Banden in Tschetschenien nahmen Söldner insgesamt aus mehr als 25 Ländern teil. Nach Angaben des Innenministeriums der Russischen Föderation hatten sich bis zuletzt allein in Afghanistan und Pakistan mindestens zwei Dutzend Lehrzentren befunden, in denen tschetschenische Extremisten ausgebildet wurden. Ähnliche Lager gab es auch in Albanien, Libanon und im moslemischen Teil Bosniens. Die illegalen bewaffneten Formationen wurden von mehr als 60 islamischen extremistisch gesinnten Organisationen in 30 Ländern außerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und in der GUS sowie von knapp 100 verschiedenen Firmen und zehn Bankengruppen unterstützt.

Angesichts klarer Erfolge der föderalen Truppen hat sich die Situation mit ausländischen Söldnern in Tschetschenien kardinal geändert. Nach Angaben der für die Tschetschenische Republik zuständigen Verwaltung des Föderalen Sicherheitsdienstes Rußlands befinden sich in Tschetschenien gegenwärtig knapp 200 ausländische Söldner, während ihre Zahl ein Jahr davor ein Mehrfaches betragen hatte.

 

Könnte man konkrete Beispiele für die Unterstützung der tschetschenischen Separatisten von Seiten ausländischer extremistischer Strukturen anführen?

Aktivitäten zahlreicher extremistischer Organisationen gehen in zwei Hauptrichtungen: Direkte bewaffnete Einmischung in Form der Entsendung ausländischer Söldner zur Teilnahme an tschetschenischen Banden sowie Missionar- und Propagandaeinsätze unter der Bevölkerung. Die letzteren laufen auf die Schürung separatistischer Stimmungen in moslemischen Regionen der Russischen Föderation und auf Versuche hinaus, sie zum Ausscheiden aus dem Staatsverband Rußlands zu bewegen. So wurde festgestellt, daß die Organisation „Moslembrüder” ein Netz in mehr als 60 Ländern mit Zentren in Großbritannien und einigen anderen Staaten Europas hat.

Emissare der „Moslembrüder” stimmen ihre Aktivitäten mit solchen Terrornetzwerken wie El Kaida, El Gamaa el Islamija und Islamischer Dschichad ab.

Die Extremisten haben Kanäle für ausländische Finanz- und sonstige Hilfen an tschetschenische illegale bewaffnete Formationen via Türkei, Aserbaidschan und Georgien geschaffen. Sie werden entdeckt und dichtgemacht. So wurden seit August 1999 in Rußland sieben Emissäre der „Moslembrüder” ermittelt und des Landes verwiesen. Im Flughafen von Naltschik wurde eine Ladung tragbarer Funkgeräte, Fernsehtechnik und Organisationstechnik doppelter Zweckbestimmung, zivil und militärisch, sichergestellt. Am Grenzübergang Werchni Lars an der russisch-georgischen Grenze wurde eine Partie gepanzerter Geländewagen sichergestellt, die über das Territorium Georgiens für Chattab-Extremisten transportiert werden sollten.

Mehrmals wurden Versuche unternommen, auf dem Territorium der ehemaligen UdSSR ein Netz von Filialen der „Moslembrüder” zu schaffen, die als Wohltätigkeitsorganisationen und Fonds getarnt werden sollten. Es handelt sich um die russische Niederlassung der nichtstaatlichen saudi-arabischen Organisation El Igasa (Islamic Relief), der russischen Abteilungen der kuwaitischen Organisationen „Gesellschaft sozialer Reformen” und „Gesellschaft für Wiedergeburt des islamischen Erbes” sowie der „Internationalen Entwicklungs-Gesellschaft”. Diese Strukturen sammelten und verteilten Finanzmittel unter den gegründeten Filialen.

In Umgehung offizieller geistlicher Verwaltungen wurden Reisen von Bürgern Rußlands zum Studium in islamischen Zentren nach Saudi-Arabien, Pakistan und in einige andere Länder veranstaltet. Im Laufe von fünf bis sieben Jahren wurden Studenten solcher Lehreinrichtungen massiv ideologisch bearbeitet. Danach kehrten sie nach Rußland als fanatische und militante Anhänger der Ideen des islamischen Fundamentalismus zurück.

Gerade unter diesen früheren Studenten taten sich Menschen mit Führer-Eigenschaften hervor, die zu zentralen Figuren in Filialen der obengenannten Strukturen wurden.

 

Gibt es konkrete Beispiele von Kontakten der tschetschenischen Extremisten mit El Kaida?

Es ist bekannt, daß Chattab - Landsmann und treuer Freund von Bin Laden - zum regionalen Vertreter der Organisation El Kaida im Nordkaukasus (und in ganz Rußland) nach ihrer Gründung Ende der 90-er Jahre wurde. Im Juni 1999 weilte Bin Laden im Chattab'schen Ausbildungszentrum „Said ibn Abu Wakkas” im Raum der tschetschenischen Stadt Urus-Martan. Augenzeugenberichten zufolge war er mit dem Niveau der Ausbildung der Extremisten zufrieden und versprach eine reichliche Belohnung nach einem Angriff auf Dagestan, der für August 1999 geplant war.

Bekanntlich erlitt die dagestanische Operation Chattabs ein Fiasko. Es stellte sich aber heraus, daß Bin Ladens Strategen auch diese Variante mit einkalkuliert hatten. In diesem Fall gab es einen Vorwand, „Moskau durch Terroranschläge unter Einsatz von Flugzeugen und Kamikaze-Fliegern exemplarisch zu bestrafen”. Wie El-Kaida-Mitglied Munir el-Motassadek bei einem Gerichtsprozess in Hamburg sagte, wurden die Selbstmord-Attentäter dann auf Ziele in New York und Washington umdirigiert.

Die Verbindung zwischen El Kaida und den tschetschenischen Extremisten wird auch aus anderen Quellen belegt, und zwar auf sehr hoher Ebene. „Ich habe Informationen über Kontakte zwischen den tschetschenischen Terroristen, die vom 23. bis 26. Oktober 2002 Geiseln in Moskau gefangengehalten haben, und der Gruppierung El Kaida”, sagte der britische Außenminister Jack Straw. Ari Fleischer, Sprecher des Weißen Hauses, erklärte in einer Stellungnahme zu diesem Terrorakt, daß „Spuren von El Kaida in mehreren Regionen der Welt, darunter auch in Tschetschenien, nachgewiesen wurden”.

 

Wieviel sogenannte „Botschaften Itschkeriens” und andere Organisationen gibt es gegenwärtig in der Welt, die im Ausland Aslan Maschadow, Schamil Bassajew und Mowladi Udugow vertreten? Welche Rolle spielen sie bei der Erweisung materieller, finanzieller, moralischer und sonstiger Hilfe für die tschetschenischen Terroristen?

Vertretungen
   Laut vorliegenden Angaben sind vereinzelte Banden der Extremisten in Tschetschenien rund 1.000 Mann stark.
      Laut vorliegenden Angaben sind vereinzelte Banden der
      Extremisten in Tschetschenien rund 1.000 Mann stark.
Itschkeriens sind aktiv (oder waren wenigstens bis zuletzt aktiv) in Estland, Litauen, Dänemark, Belgien, Deutschland, Großbritannien, Polen, Tschechien, den Niederlanden, Georgien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, der Türkei, Pakistan, im Irak, Syrien und in der Ukraine. Vor kurzem wurde auf Beschluß der aserbaidschanischen Behörden in Baku ein tschetschenisches Kulturzentrum geschlossen, das sich als „Vertretung Itschkeriens” bezeichnet hatte.

Nach dem Oktober-Terrorakt in Moskau forderte die russische Führung die Behörden der Türkei auf, Vertretungen der tschetschenischen Separatisten auf ihrem Territorium zu schließen. „Wir haben unwiderlegbare Beweise dafür, daß die tschetschenischen Extremisten, die Geiseln in Moskau genommen hatten, Telefongespräche mit ihren Handlangern führten, darunter auch in der Türkei”, sagte der Botschafter der Russischen Föderation in Ankara, Alexander Lebedew. Zu den Organisationen, die ständigen Kontakt zu Mowsar Barajews Bande hielten, zählte Lebedew das Komitee für die Solidarität mit den Tschetschenen im Kaukasus mit Sitz in der Türkei.

Der Leiter der georgischen „Vertretung der Tschetschenischen Republik Itschkerien” hat nach wie vor ungehinderten Zugang zu örtlichen Massenmedien, die seine antirussischen Ausführungen vervielfältigen. Die „Vertretung” betreibt Informationsaktivitäten und spielt zudem eine große Rolle beim Empfang und der Verteilung eintreffender finanzieller und humanitärer Hilfe, deren größter Teil allerdings einfach gestohlen wird. Bei der „Vertretung” ist die Informationsstruktur -”Tschetscheninformzentr” - aktiv, die auf einer eigenen Web-Seite einen Informationskrieg gegen Rußland führt.

Die Leitung des Staatssicherheitsministeriums Georgiens gibt zu verstehen, daß die Unterbindung der Aktivitäten der tschetschenischen Informationsstrukturen einer politischen Entscheidung der Landesbehörden bedürfe.

Es gibt nicht wenig Beweise dafür, daß „Zentren”, „Vertretungen” und „Botschaften” des von niemandem anerkannten Itschkerien unter dem Vorwand humanitärer, friedensstiftender oder Wohltätigkeitsaktivitäten die materielle und finanzielle Unterstützung der tschetschenischen Extremisten organisieren.

 

Rußland hat seinerzeit die Antiterroroperation der USA in Afghanistan unterstützt. Geht es denn nicht um eine Art „Tauschgeschäft”, das die Kritik westlicher Länder an gewaltsamen Aktionen in Tschetschenien abmildern soll?

Rußland stieg
 Laut vorliegenden Angaben sind vereinzelte Banden der Extremisten in Tschetschenien rund 1.000 Mann stark.   
Laut vorliegenden Angaben sind vereinzelte Banden der
Extremisten in Tschetschenien rund 1.000 Mann stark.
in die internationale Antiterrorkoalition ein, weil es sich über die Gefahr im klaren war, die von der terroristischen Internationale ausgeht. Dabei ließ sich Moskau sowohl von langfristigen Interessen der gesamten internationalen Gemeinschaft als auch von den eigenen nationalen Interessen leiten. Nach sofortigen Vorteilen wurde nie gestrebt.

Von einem „Tauschgeschäft” kann also keine Rede sein. Das umso weniger, als sich die Position mehrerer westlicher Länder zum Tschetschenien-Problem immer noch durch sichtbare Doppelstandards auszeichnet. Natürlich gibt es hierbei auch Fortschritte. Jetzt findet sich wohl kein westliches Land mehr, das mit allem Ernst behaupten würde, daß es in Tschetschenien keine Terroristen gibt und Rußland kein Recht darauf habe, diese zu bekämpfen. Aber der sogenannte Doppelstandard ist noch zu spüren: Die Terroristen werden nach wie vor in „schlechte” und „gute” aufgeteilt. Die einen werden abgeurteilt und die anderen beinahe gerechtfertigt.

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III. Wiederaufbau Tschetscheniens

Sozialökonomischer Bereich

Wie vollzieht sich der Prozeß der Rückkehr von Bürgern Tschetscheniens, die seinerzeit ihren ständigen Wohnort verlassen haben?

Über eine halbe Million Einwohner der Republik waren gezwungen, ab 1999 ihre Häuser und Wohnungen sowohl im Ergebnis der Kampfhandlungen, der allgemeinen instabilen Situation als auch wegen Drohungen durch tschetschenische Terroristen zu verlassen. Nach Maßgabe dessen, wie sich das Leben in Tschetschenien normalisiert, beginnen Menschen, in ihre Heimstätten (häufiger aus anderen Gebieten der Republik selbst) zurückzukehren. Im Zeitraum von 2000 bis heute kehrten über 180.000 Menschen, darunter über 85.000 Menschen aus Inguschetien, nach Tschetschenien zurück. Dabei muß unterstrichen werden, daß der Prozess der Rückkehr auf freiwilliger Grundlage erfolgt.

Zugleich sind 360.000 Menschen nach Angaben per Mitte 2002 immer noch gezwungen, von der Notunterkunft sowohl in als auch außerhalb der Tschetschenischen Republik Gebrauch zu machen. Die größte Zahl der tschetschenischen Flüchtlinge - über 100.000 - lebt heute auf dem Territorium des benachbarten Inguschetien sowohl in Orten der zeitweiligen Unterbringung als auch auf der in Pacht genommenen Fläche. Die für ihren Unterhalt notwendige Mittel, darunter für den Kauf und die Zustellung von Lebensmitteln, werden aus dem föderalen Haushalt bereitgestellt.

Zu einem weiteren Stimulus für die Rückkehr von Menschen in ihre heimatliche Gegend wurde die Schaffung von 120.000 neuen Arbeitsplätzen in den letzten zwei Jahren. Die Arbeitsplätze werden vor allem im Agrar-Industrie-Komplex geschaffen. Aber nicht nur darin. Im Bauzweig, der sich heute stürmisch entwickelt, waren im Jahre 2002 über 40.000 Personen beschäftigt, während ein Jahr zuvor dort um 75 Prozent weniger Menschen arbeiteten.

Nach Angaben der Regierung Tschetscheniens wird geplant, in der nächsten Zeit weitere 30.000 Menschen in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Es muß auch erwähnt werden, daß noch 150.000 Bürger Arbeitslosengeld beziehen.

 

Die Frage der Rückkehr der Flüchtlinge hängt aufs engste mit dem Wiederaufbau von Wohnraum in der Tschetschenischen Republik zusammen. Wie ist es darum bestellt?

Nach Angaben des Staatskomitees für Bauwesen der RF wurden in der Periode vom Januar bis zum Dezember 2002 in Tschetschenien 1645 Häuser (1634 individuelle und 11 Kommunalhäuser) mit einer Gesamtfläche von über 320.000 Quadratmetern wiederaufgebaut und ihrer Bestimmung übergeben. Günstige Bedingungen für die Rückkehr werden in Grosny, Argun, Gudermes und in der Staniza Sernowodskaja geschaffen. Dort wurden der Wiederaufbau und die Einrichtung von 15 neuen Orten der zeitweiligen Unterbringung für ungefähr 14.000 Personen vollendet.

Das Föderale Zielprogramm zum Wiederaufbau der Wirtschaft und des Sozialbereiches der Tschetschenischen Republik sieht vor, in den Jahren 2002-2003 insgesamt 4.550 individuelle Wohnhäuser und 2.630 Kommunalwohnungen mit einer Gesamtfläche von über einer halben Million Quadratmetern wiederaufzubauen.

 

Es ist ein offenes Geheimnis, daß viele Flüchtlinge in ihren früheren Wohnort aus Befürchtungen um ihr Leben nicht zurückkehren wollen:

In der Tat. Eines der besonders akuten Probleme, die die Rückkehr von Menschen hemmen, sind die Instabilität und die explosive Situation im Ergebnis der unaufhörlichen Überfälle von Banditen. Eine anschauliche Bestätigung dafür ist ein von Selbstmörder-Terroristen am 27. Dezember 2002 verübter Terrorakt vor dem Gebäude der Regierung der Tschetschenischen Republik, wodurch 82 Menschen ums Leben kamen und 153 verletzt wurden.

Die Situation zum Besseren hin zu ändern, ist eine Aufgabe der Rechtsschutzorgane. Aber auch von anderen staatlichen Ämtern, darunter vom Föderalen Migrationsdienst des Innenministeriums Rußlands, wird heute alles Mögliche getan, um den Prozess der Rückkehr der Zwangsumsiedler nach Tschetschenien zu erleichtern.

Unter anderem wird die reale Zahl der Flüchtlinge bestimmt und deren Neuregistrierung vorgenommen. Geprüft wird die Bereitschaft der Orte der zeitweiligen Unterbringung für Umsiedler, die nach Tschetschenien zurückkehren. Es werden Maßnahmen zu ihrer Einrichtung ergriffen. Um die Zwangsumsiedler über das Vorhandensein von Wohnraum in dieser oder jener Stadt, diesem oder jenem Rayon und über den Verlauf der Bauarbeiten, die Möglichkeiten für die Eingliederung in den Arbeitsprozeß und das Studium, soziale und sonstige Zahlungen zu informieren, organisierte der Föderale Migrationsdienst sogar die Ausgabe einer Sonderbeilage zur Zeitschrift „Migration und Staatsbürgerschaft” - der Wochenschrift „Migrationsinformationsblatt”. Ihr erstes Heft ist im Juli 2002 erschienen.

 

Bekannt ist, daß Grosny, der Hauptstadt der Republik, während der zwei militärischen Kampagnen der größte Schaden zugefügt wurde. Wann kann man seinen Wiederaufbau erwarten?

Nach Angaben der Regierungskommission zu Fragen des Wiederaufbaus des Sozialbereichs und der Wirtschaft Tschetscheniens kommen auf Grosny wirklich 70 Prozent des Schadens, den der Krieg der Wirtschaft Tschetscheniens zugefügt hat. In der Hauptstadt der Republik wurden 66 Prozent der Gebäude beschädigt, darunter 28 Prozent völlig zerstört. Fast vollständig außer Betrieb gesetzt wurde die Infrastruktur der ingenieurtechnischen Versorgung der Stadt. Fast von Grund auf zerstört oder ausgeraubt wurde die Ausrüstung von Kraftwerken, Kesselräumen, Wasserentnahmestellen, Pumpstationen und Kläranlagen.

Aber der Generalplan zum Wiederaufbau der tschetschenischen Hauptstadt wird bereits erstellt. Wenn der Wiederaufbau von Grosny in dem vom Plan vorgesehenen Tempo erfolgen und das Neugebaute den Zerstörungen durch Banditen nicht ausgesetzt wird, so wird die Stadt in sechs bis sieben Jahren in moderner Form neuerstehen. Aber es stehen enorme Ausgaben bevor. Allein die Räumung von Verschüttungen in Grosny wird die russische Staatskasse nach Schätzungen von Spezialisten 494 Mio. Rubel (über 15 Mio. US-Dollar) zu stehen kommen.

 

Werden aber Mittel nicht ausgeraubt, die für den Wiederaufbau Tschetscheniens bereitgestellt werden? Eine solche Meinung äußerten mehr als einmal russische und ausländische Massenmedien und ertönte von politischen Tribünen.

Schablonen dieser Art sind wirklich entstanden. Es fällt schwer, sie zu ändern, um so mehr, als es diesbezügliche Fakten in der Vergangenheit gab. Aber heute gibt es keinen Grund, darüber zu sprechen, daß im diesem Wirkungsbereich der Diebstahl prosperiert. Freilich gibt es Verletzungen einer anderen Art: zweckentfremdete Inanspruchnahme von Mitteln und vorsätzlicher zu hoch angesetzter Umfang der erfüllten Artbeiten im Wohnungsbau. Aber die föderalen Behörden kämpfen gegen diese Erscheinung.

Im April 2002 faßte die Rechnungskammer der RF die Ergebnisse einer Kontrolle zusammen, in deren Ergebnis die zweckentfremdeten Ausgaben der Haushaltsmittel in Höhe von über 700 Mio. Rubeln (ca. 22 Mio. US-Dollar) ermittelt wurden. Wichtig ist auch, daß sich der eigentliche Mechanismus der Finanzierung in den letzten Jahren geändert hat: Mittel gehen jetzt anders ein. Wenn Mittel noch vor fünf bis sechs Jahren über bevollmächtigte Banken eingingen, so gehen sie jetzt über das föderale Schatzamt ein.

 

In welchem Zustand befindet sich heute der erdölfördernde Komplex der Republik?

Bereits im Jahre 2001 wurden 705.000 Tonnen Erdöl in Tschetschenien gefördert. Dabei vergrößerte sich die tagesdurchschnittliche Förderung gegenüber dem Vorjahr auf mehr als das 5fache - von 800 auf 4.000 Tonnen. Wie aus Unterlagen des „Statistischen Bulletins über den Verlauf des Wiederaufbaus der Wirtschaft und des Sozialbereiches der Tschetschenischen Republik im Januar-Oktober 2002” folgt, wurden 1.223.000 Tonnen Erdöl, inklusive Gaskondensat, in dieser Periode in Tschetschenien gefördert. Allein im Oktober betrug die Fördermenge 138.000 Tonnen.

 

Wie kann man die Hauptparameter des Wiederaufbaus der Energiewirtschaft Tschetscheniens charakterisieren?

In letzter Zeit wurde die Elektroenergieversorgung praktisch in allen Rayons der Tschetschenischen Republik wiederhergestellt. In Betrieb genommen wurden Überlandleitungen mit einer Gesamtlänge von 544,6 km.

Mit Haushaltsgas sind ebenfalls fast alle Ortschaften versorgt. Es wurden 548 km Gasleitungen für die Zuführung zu den Verbrauchern in Betrieb genommen. Wiederhergestellt wurden ein sehr wichtiger Abschnitt der Gasleitung Stawropol-Grosny sowie die Gasleitungen Kawkas-5 und Kawkas-10.

Mitte Dezember 2002 wurde in der Stadt Argun der erste Dampfenergieblock des Argun-Heizkraftwerkes-4, des größten der wiederaufgebauten Objekte der tschetschenischen Energiewirtschaft, in Betrieb genommen. Seine Wärme wird anderen Betrieben, inklusive die Zuckerfabrik und das Betonwerk, das Leben einhauchen, deren Wiederaufbau es ermöglichen wird, bis zu 3.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen.

 

Der Wiederaufbau des Argun-Heizkraftwerkes-4 hing aber mit Verlusten unter Energetikern zusammen.

In der Tat. Banditen taten alles, um den Prozeß des Wiederaufbaus dieses Objekts, das in der Republik vor 39 Jahren gebaut worden war, zum Scheitern zu bringen. Noch bei der Errichtung der Umzäunung um dieses Kraftwerk im Jahre 2000 wurden vier Arbeiter von Scharfschützen getötet. Dann begann man Tschetschenen, die auf dem Bauplatz arbeiteten, Flugblätter mit Drohungen unterzujubeln. Insgesamt töteten Banditen in Argun 62 Energetiker. Nicht von ungefähr sagte der „Nurenergo”-Vorsitzende Nurdin Ussamow beim Zeremoniell der Inbetriebnahme des ersten Energieblocks des Argun-Heizkraftwerkes-4: „Der Wiederaufbau des Kraftwerkes wurde zu einer richtigen Heldentat von tschetschenischen, russischen, ukrainischen und armenischen Ingenieuren und Arbeitern, die Mut aufbrachten, Banditen standzuhalten.”

 

Wie gestaltet sich die Situation im Agrar-Industrie-Komplex Tschetscheniens?

Im Jahre 2002 brachten tschetschenische Bauern von 158.000 Hektar etwa 350.000 Tonnen Getreide ein. Eine solche rekordhohe Kennziffer erreichte die Republik sogar in den sowjetischen Zeiten nicht. Zum Vergleich: Im Jahre 2001 waren etwas mehr als 135.000 Hektar mit Getreidekulturen bestellt und wurden 250.000 Tonnen Getreide geerntet. Für Belange des Agrar-Industrie-Komplexes Tschetscheniens wurden über 100 Mähdrescher, fast 1.000 Tonnen mineralische Düngemittel und etwa 100 Tonnen Pflanzenschutzmittel bereitgestellt.

 

Wie werden der Eisenbahn- und der Kraftfahrzeugtransport in Tschetschenien wiederhergestellt?

Gegen Mitte 2002
   Das Leben geht weiter. Tschetschenien, Grosny, 2003.
      Das Leben geht weiter. Tschetschenien, Grosny, 2003.
wurden die Eisenbahnstation in Chankala und die Brücken über den Fluß Terek ihrer Bestimmung übergeben, die Gleise auf dem Abschnitt Ischtscherskaja-Gudermes instandgesetzt.

Neugestaltet wurden auch die Bahnhöfe auf den Abschnitten Ischtscherskaja-Gudermes, Ischtscherskaja-Chassawjurt, Gudermes-Chankala, aber vor allem in Grosny. Repariert wurden fast 350 beschädigte Güterwagen. Noch eine bezeichnende Kennziffer: Von Mitte 2001 bis zur Mitte 2002 wurden über 15.000 Wagen mit verschiedenen Gütern nach Tschetschenien gebracht. Im April 2002 wurde der Personenverkehr auf der Strecke Gudermes-Moskau-Gudermes aufgenommen. Ganz vor kurzem wurde der direkte Eisenbahnverkehr zwischen Grosny und Moskau wiederaufgenommen. Passagiere können jetzt auch mit Nahzügen und auf Strecken reisen, die aus Tschetschenien nach Inguschetien und Nordossetien führen.

Für die Wiederherstellung des Kraftfahrzeugtransports wurden der Republik bereits 220 Passagierbusse, etwa 10 Kran- und Tankkraftwagen bereitgestellt.

Insgesamt sieht das Zielprogramm „Wiederaufbau der Wirtschaft und des Sozialbereiches der Tschetschenischen Republik für 2002 und darauffolgende Jahre” für die Wiederherstellung des Kraftfahrzeugtransportwesens der Republik die Ausgaben in Höhe von 206,5 Mio. Rubeln (etwa 6,3 Mio. US-Dollar) vor.

 

Noch eine wichtige Komponente des Wiederaufbaus des Sozialsektors der Republik sind Krankenhäuser, Schulen, Hochschulen, Bibliotheken.

Antwort: Gegen Mitte 2002 wurden 57 Krankenhäuser mit fast 5.000 Betten sowie 32 Polikliniken, 46 Ambulanzen und 175 Stützpunkte für Betreuung durch einen Feldscher wiederaufgebaut, die heute funktionieren. Allein in Grosny funktionieren neun Krankenhäuser, das zentrale Entbindundsheim, die Erste-Hilfe-Station, acht Polikliniken für Erwachsene, drei Kinderpolikliniken und zwei Polikliniken für Stomatologie. Es ist geplant, in der Republik weitere 105 medizinische Einrichtungen, darunter 37 Krankenhäuser mit 1.500 Betten und fünf Dispensairestellen, die etwa 1.000 Patienten in einer Schicht aufnehmen können, elf Polikliniken für fast 4.000 Patientenbesuche in der Schicht, zwei Entbindungsheime und über 20 Ambulanzen, general zu renovieren. Im Jahre 2002 erhielten 291.000 Personen eine Schutzimpfunge.

Zu Beginn des laufenden Schuljahres 2002/2003 wurden in Tschetschenien 17 neue Schulen eröffnet. In der nächsten Zeit werden noch über 45 Schulen ihrer Bestimmung übergeben, in denen heute Bau- und Wiederherstellungsarbeiten durchgeführt werden. Insgesamt funktionieren in Tschetschenien bereits 500 Schulen, in denen unter der Leitung von 13.600 Lehrern etwa 220.000 Kinder lernen: viel mehr als in vorigem Jahr. Drei Hochschulen wurden wiedereröffnet: Die Tschetschenische staatliche Universität, die staatliche Erdölhochschule in Grosny und die Tschetschenische staatliche pädagogische Hochschule. Daran studieren etwa 18.000 Studenten. Außerdem wurde eine Gruppe von Studenten aus Tschetschenien in die Moskauer Staatliche Universität zum Studium aufgenommen.

 

Wie ist es um Kulturobjekte bestellt?

Im Jahre 2002 begann man mit dem Wiederaufbau des Konzertsaals in Grosny mit 750 Plätzen, des Tschetschenischen Dramatischen Theaters, das 350 Besuchern Platz bietet, des staatlichen Zirkus' mit 1.400 Plätzen, der Philharmonie, des nationalen Museums, der Rayonkulturhäuser in den Dörfern Schatoi und Wedeno. Für alle diese Ziele, inklusive Projektierungsarbeiten, wurden 15 Mio. Rubel (ungefähr 500.000 US-Dollar) bereitgestellt. Das föderale Zentrum hilft künstlerischen Ensembles, stellt Geldmittel für die Erhaltung und Restaurierung von Geschichts- und Kulturdenkmälern bereit.

In der Republik sind 21 Zeitungen und drei Zeitschriften registriert. Davon erscheinen 13 Zeitungen und zwei Zeitschriften. Die „Sow semli” (”Ruf der Erde”) wird zum Beispiel in einer Auflage von 15.000 Exemplaren und die „Westi respubliki” (”Nachrichten aus der Republik”) in einer Auflage von 10.000 Exemplaren herausgegeben. Zwei bzw. drei Stunden täglich senden der staatliche Rundfunk und das staatliche Fernsehen Tschetscheniens ihre Programme.

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Werdegang des Rechtssystems

Stimmt es, daß das Normativ- und Rechtssystem in Tschetschenien in vollem Umfang funktioniert?

Dem ist wirklich so. Wie der Justizminister Rußlands, Juri Tschaika, unlängst erklärte, waren in Tschetschenien fünf Gerichte, darunter auch in Rayonzentren, eröffnet worden. Geschaffen wurden Notarial- und Rechtsanwaltstrukturen, Organe zur Registrierung gesellschaftlicher Organisationen und Standesämter, die bereits funktionieren. Wenn man über die Situation in Gerichten auf dem Territorium Tschetscheniens spricht, so hat es nach Worten des Ministers bis heute in keinem davon außerordentliche Situationen gegeben.

Es muß auch gesagt werden, daß heute in Tschetschenien eine Verwaltung für Strafvollzugs besteht, der Einrichtungen angehören, die die notwendigen Bedingungen für die Unterbringung des Sonderkontingents sichern. Es werden die Wiederherstellungs- und Bauarbeiten in Strafkolonien und Sonderuntersuchungsgefängnissen in Grosny, Tschernokosowo usw. durchgeführt.

Im Jahre 2002 wurden notwendige Mittel durch das Föderale Zielprogramm für die Wiederherstellung des strafrechtlichen Besserungssystems Tschetscheniens bereitgestellt. Vollendet werden die Arbeiten beim Bau von Verwaltungsgebäuden, Regimebauten und Wohnheimen für Verurteilte, eines Bade- und Waschkombinats sowie von ingeneurtechnischen Netzen.

Man kann auch folgende Angaben anführen. Mitarbeiter der Verwaltung Bestrafung des Justizministeriums Rußlands prüften zusammen mit anderen Kräftestrukturen im Jahre 2002 über 5.500 Personen auf Beteiligung an ungesetzlichen bewaffneten Formationen. Es wurden fast 200 kg Rauschgiftmittel beschlagnahmt und mehr als 1.000 illegale Mini-Werke zur Produktion von Erdölprodukten vernichtet.

Nach Angaben des Gerichtsdepartements beim Obersten Gericht der RF gingen per 25. November 2002 bei 12 Rayongerichten der Republik und beim Obersten Gericht der Tschetschenischen Republik entsprechend 1.928 und 1.342 Strafsachen sowie 8.782 und 8.384 Zivilrechtssachen und weitere 120 Sachen im Wege von Kassationsverfahren ein, die alle verhandelt wurden.

 

Besteht das Institut der Gerichtsvollstrecker in der Tschetschenischen Republik?

Zur Zeit arbeiten in Tschetschenien ständig 200 Vollstrecker, 42 Notare, 95 Rechtsanwälte, über 30 Mitarbeiter des Justizministeriums der RF und 264 Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Tschetscheniens. Dabei sind die meisten von ihnen Tschetschenen. Ihnen wird praktische Hilfe durch Mitarbeiter der Rechtsschutzorgane aus anderen Regionen Rußlands erwiesen.

Im Mai 2002 fand ein methodisches Lehrtreffen von Gerichtsobervollstreckern zu Fragen der Tätigkeit der Gerichte statt. An diesem Treffen beteiligten sich Vertreter der Führung der Republik, der Verwaltung des Innern, der Milizabteilungen zur besonderen Verwendung (OMON), des Föderalen Sicherheitsdienstes Rußlands und der Staatsanwaltschaft.

 

In welcher Situation müssen heute die tschetschenischen Milizionäre ihren Dienst beim Schutz der öffentlichen Ordnung versehen?

Die kriminogene
Das Leben geht weiter. Tschetschenien, Grosny, 2003.   
Das Leben geht weiter. Tschetschenien, Grosny, 2003.
Situation in der Republik ist nach wie vor kompliziert. Zum Beispiel an einem Tag, dem 14. Mai 2002, wandten sich 80 tschetschenische Einwohner, denen Leute mit vermummten Gesichtern Geld und Wertsachen weggenommen hatten, an Rechtsschutzorgane der Republik. Und dies geschweige der ständigen Diversionsausfälle von Banditen. Für sie wurde die tschetschenische Miliz zum Feind Nr. 1. Eben sie erleidet die Hauptverluste im Kampf gegen die Banditen.

Quellen bei der Administration der Tschetschenischen Republik behaupten, daß die religiöse und militärische Führungsspitze der Banditen - die sogenannte Schura - ohne zu zögern Todesurteile über jene Tschetschenen fällt, die mit neuen Machtorganen, insbesondere mit der Miliz, zusammenarbeiten.

 

Worauf ist die Notwendigkeit der Reformierung der Rechtsschutzorgane der Tschetschenischen Republik zurückzuführen?

Zu einem wichtigen Ereignis in dieser Richtung wurde die unlängst vom Innenminister Rußlands, Boris Gryslow, unterzeichnete Anordnung über die Gründung des Innenministeriums der Tschetschenischen Republik anstatt der Verwaltung des Innern für Tschetschenien. Experten meinen, daß dies eine äußerst rechtzeitige und notwendige Maßnahme ist, die zur Stabilisierung der Situation in der Republik beiträgt. In Übereinstimmung mit einem neuen Stellenplan wird geplant, die zahlenmäßige Stärke des Personalbestandes des tschetschenischen Innenministeriums auf 17.000 Personen zu bringen. Zu seinem Leiter wurde Ruslan Zakajew, ein Tschetschene, ernannt.

Nach Meinung der Führung der Tschetschenischen Republik könnten eben die örtlichen Milizionäre Ordnung in der Republik schaffen und sie auf gebührendem Niveau aufrechterhalten. Dafür ist es notwendig, nicht nur die Zahl der Mitarbeiter der tschetschenischen Miliz zu vergrößern, sondern sie auch besser auszurüsten, gut zu bewaffnen und die materialle Basis zu festigen.

 

Wie wirken Mechanismen des Monitorings über die Einhaltung der Menschenrechte in Tschetschenien?

Die Einhaltung der Menschenrechte ist eine der Prioritätsaufgaben der Regierung Tschetscheniens. Es wurde der Posten des Sondervertreters des Präsidenten der RF für die Sicherung der Rechte und Freiheiten des Menschen und des Bürgers eingeführt.

Ihm obliegt neben dem eigentlichen Schutz der Bürgerrechte und -freiheiten das Zusammenwirken mit internationalen gesellschaftlichen und nichtstaatlichen Rechtsschutzorganisationen. Zur Zeit bekleidet Abdul-Chakim Sultygow diesen Posten, der früher in der Staatsduma-Kommission für die Tschetschenische Republik arbeitete.

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Formierung der Machtorgane Tschetscheniens

Wie wurden die heutigen Organe der Staatsmacht in Tschetschenien formiert?

Ein neues System der
   Bau neuer Wohnhäuser in der Stadtmitte von Grosny. Tschetschenien, 2003.
      Bau neuer Wohnhäuser in der Stadtmitte von Grosny.
      Tschetschenien, 2003.
Machtorgane der Tschetschenischen Republik begann sich nach dem Abschluß der Hauptphase der Kampfhandlungen der Föderalkräfte gegen Terroristen im Sommer 2000 intensiv zu formieren. Eben damals wurde in Übereinstimmung mit einem Erlaß des Präsidenten Rußlands die Vertretung der Regierung der RF in Tschetschenien abgeschafft und die Administration dieser Republik gebildet.

Mit ihrer Bildung begannen sich in Tschetschenien rechtliche Voraussetzungen für die Organisation der vollwertigen Organe der Staatsmacht zu gestalten.

Die höchste Amtsperson in der Tschetschenischen Republik ist der Leiter der Administration. Ihm obliegt die Ernennung des Vorsitzenden der Regierung Tschetscheniens. Er vertritt auch die Republik in den Beziehungen mit föderalen Organen der Staatsmacht und anderen Subjekten der RF. Die Kontrolle über die Tätigkeit der Administration Tschetscheniens übt der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten der RF im Südlichen föderalen Bezirk aus. Auch die Rayons Tschetscheniens haben ihre Administrationen.

Ab Februar 2001 besteht der Rat für öffentliche und wirtschaftliche Sicherheit Tschetscheniens beim Leiter der Administration der Tschetschenischen Republik. Zu seinen Schwerpunktaufgaben gehören die Bestimmung der Prioritäten auf dem Gebiet der Sicherung der Stabilität in der Republik sowie die Organisation eines engeren Zusammenwirkens zwischen republikanischen und föderalen Organisationen in Tschetschenien. Dem Rat gehören tschetschenische Leiter sowie Vertreter der föderalen Kräftestrukturen an.

Das ständige Organ der Exekutivgewalt ist die Regierung der Tschetschenischen Republik. Ihre Hauptaufgaben bestehen in der Sicherung der sozialökonomischen Entwicklung und in einer einheitlichen staatlichen Politik auf dem Gebiet von Finanzen, Wissenschaft, Bildungswesen, Gesundheitsschutz, Sozialfürsorge und Umweltschutz. Außerdem sichert die Regierung den Schutz der Rechte und Freiheiten des Menschen und des Bürgers, den Schutz des Eigentums und der öffentlichen Ordnung sowie den Kampf gegen die Kriminalität in der Tschetschenischen Republik.

 

Werden die gegründeten Organe der republikanischen Behörden durch die tschetschenische Bevölkerung unterstützt?

Zu einer der Hauptaufgaben bei der Schaffung eines Systems von Organen der Exekutivgewalt wurde die Übergabe der Hebel der Leitung der Republik in die Hände ihrer Einwohner. Deshalb bekleiden eben Tschetschenen die meisten leitenden Posten in der Administration und der Regierung. In erster Linie ist es dazu notwendig, die reale Unterstützung der Handlungen der föderalen Behörden bei der Wiederherstellung des Friedens in Tschetschenien durch die tschetschenische Bevölkerung zu sichern.

In diesem Sinne kann man die Tatsache für signifikant erachten, daß der russische Präsident im Juni 2000 für das Amt des Leiters der Administration Achmad Kadyrow ernannte, der seit 1995 Mufti Tschetscheniens gewesen war, einer von jenen, die im Anfangsstadium des Separatismus mit der Waffe in der Hand gegen die Föderalkräfte gekämpft hatten. Im Jahre 1999 trat er gegen den von Banditen vorgenommenen Überfall auf Dagestan auf und ging auf die Seite der russischen Behörden über.

 

Ist Tschetschenien in den föderalen Machtorganen vertreten?

Die Tschetschenische Republik hat ebensolche Vertretungen in den föderalen Machtorganen wie auch alle anderen Subjekte der RF. Im August 2000 fanden in Tschetschenien die Wahlen des Abgeordneten in die Staatsduma (Unterhaus der Föderalversammlung) statt. Diesen Posten beanspruchten 13 Kandidaten. An der Abstimmung beteiligten sich etwa 60 Prozent der registrierten Wähler. Bei den Wahlen siegte Aslambek Aslachanow, Generalmajor der Miliz a.D. Die Wahlen wurden als demokratisch, aktiv und offen bewertet.

Neben dem Staatsduma-Abgeordneten vertritt Achmar Sawgajew, Vertreter der Republik im Föderationsrat (Oberhaus des russischen Parlaments), in der russischen Hauptstadt die Interessen Tschetscheniens.

In Moskau befindet sich auch die offizielle Vertretung der Tschetschenischen Republik, die mit Stanislaw Iljassow, föderaler Minister für Tschetschenien, Kontakte hat.

 

Es existiert der Entwurf einer neuen Verfassung Tschetscheniens. Was kann man diesbezüglich sagen?

Ab 1992 war in Tschetschenien
Das Leben geht weiter. Tschetschenien, Grosny, 2003.   
Das Leben geht weiter. Tschetschenien, Grosny, 2003.
die sogenannte Dudajewsche Verfassung gültig, die die Republik für einen souveränen Staat erklärte. Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung der Tschetschenischen Republik war Ende 2002 abgeschlossen worden und wurde zum wichtigsten Schritt auf dem Wege der politischen Regelung der Tschetschenien-Krise und der Rückkehr der Republik in das Verfassungsfeld der Russischen Föderation.

Gemäß dem Entwurf der Verfassung ist Tschetschenien ein demokratischer, sozialer Rechtsstaat mit der republikanischen Regierungsform, und sein Territorium ist ein nichtwegzudenkender Bestandteil des Territoriums der RF.

Tschetschenien wird eine Präsidialrepublik sein. Ihr Präsident wird für vier Jahre gewählt und diesen Posten nur zwei Amtsperioden nacheinander bekleiden können. Zum Präsidenten kann ein Bürger der RF im Alter nicht unter 30 Jahren gewählt werden. Alle Bürger Tschetscheniens werden gleichzeitig auch als Bürger Rußlands anerkannt. Für die Staatssprachen in der Tschetschenischen Republik werden Tschetschenisch und Russisch erklärt. Dabei ist die russische Sprache eine Sprache des zwischennationalen Umganges und des offiziellen Schriftverkehrs.

Verboten werden die Gründung und die Tätigkeit von gesellschaftlichen Vereinigungen, deren Ziele und Handlungen auf gewaltsame Änderung der Grundlagen der Verfassungsordnung und die Verletzung der Integrität der Tschetschenischen Republik und der Russischen Föderation, auf Schürung des sozialen, des Rassen-, des nationalen und des religiösen Haders und auf Aufstellung von jeglichen bewaffneten oder militarisierten Formationen auf dem Territorium der Tschetschenischen Republik gerichtet sind, die in der Verfassung der Russischen Föderation und im föderalen Gesetz nicht vorgesehen sind.

 

Wie wird eine neue Verfassung Tschetscheniens verabschiedet?

Ein Referendum über die Verfassung der Republik wird am 23. März 2003 durchgeführt. Es wurden bereits die territorialen Wahlkommissionen gebildet. Insgesamt wurden in der Republik 20 Wahlkommissionen, vier davon in Grosny, gebildet und ihre Vorsitzenden ernannt. An der Organisation des Referendums beteiligen sich 3.000 Personen und für seine Finanzierung wurden über 50 Mio. Rubel aus dem Haushalt der RF bereitgestellt. Das Referendum wird alle Ortschaften Tschetscheniens erfassen, wo 414 Wahllokale geöffnet sein werden. Die Einwohner Tschetschenies werden über den Entwurf der Verfassung der Republik sowie die Gesetze über die Wahlen des Präsidenten und des Parlaments abstimmen können.

Den Verlauf des Referendums werden Vertreter von internationalen Hilfs- und Rechtsschutzorganisationen beobachten.

 

Welches sind die nächsten Schritte zur Formierung des demokratischen politischen Systems in Tschetschenien nach der Verabschiedung der Verfassung?

Nach der Verabschiedung der Verfassung Tschetscheniens müssen die Parlamentswahlen und die Wahlen des Präsidenten der Republik stattfinden. Gemäß dem Entwurf der Verfassung der Tschetschenischen Republik wird das Parlament aus zwei Kammern - dem Rat der Republik (21 Abgeordnete) und der Volksversammlung (40 Abgeordnete) - bestehen.

 

Ist die Bevölkerung Tschetscheniens selbst zu einer neuen Selbstbestimmung bereit?

Am 11. Dezember 2002
   Zu den Hauptproblemen des Wiederaufbaus Tschetscheniens gehören die Energiewirtschaft und die Beschäftigung der Bevölkerung.
      Zu den Hauptproblemen des Wieder-
      aufbaus Tschetscheniens gehören
      die Energiewirtschaft und die
      Beschäftigung der Bevölkerung.
fand in Gudermes, eine Stadt auf dem Territorium Tschetscheniens, der Kongreß des tschetschenischen Volkes statt. In der auf diesem Forum angenommenen Resolution heißt es, daß „Tschetschenien gewillt ist, ein vollberechtigtes Mitglied der Russischen Föderation zu sein, mit Rußland in Übereinstimmung mit der Verfassung der Russischen Föderation und nach den für alle gemeinsamen Gesetzen zusammenzuleben”. „Das Volk Tschetscheniens denkt sich nicht ohne Rußland oder außerhalb Rußlands. Rußland ist unser gemeinsames Schicksal”, wird in der Resolution unterstrichen.

Die Delegierten des Kongresses riefen die Bevölkerung Tschetscheniens zur Konsolidierung um die bestehenden Machtorgane auf, die mit dem Recht ausgestattet sind, alle Fragen des gesellschaftspolitischen und des sozialökonomischen Lebens der Republik zu lösen. In der Resolution ist auch der Aufruf an alle Vertreter des tschetschenischen Volkes enthalten, „angesichts der schwersten Tragödie Tschetscheniens eigene Beleidigungen, gegenseitige Ansprüche zu lassen, die Ambitionen und den Stolz zu mäßigen, sich im Namen der Wiedergeburt der Heimat zusammenzuschließen”.

Die Delegierten des Kongresses wandten sich mit dem Aufruf „an alle Vertreter der kriegführenden Seite, im Namen ihres Volkes die Waffen zu strecken und gegen Garantien der Sicherheit zum friedlichen Leben zurückzukehren”.

Der Kongreß nahm einen Appell an den Präsidenten Rußlands an, in dem es heißt: „Dank Ihrer konsequenten Politik haben Menschen geglaubt, daß die Zeiten der Freundschaft und der gegenseitigen Verständigung zwischen allen Völkern, die in unserem Land leben, wiederhergestellt werden können, daß die Tschetschenische Republik ein vollberechtigtes Subjekt der Russischen Föderation und ein nicht wegzudenkender Bestandteil Rußlands ist, wo Menschen nach den für alle russischen Bürger gemeinsamen Gesetzen leben müssen und werden... Die politische und ökonomische Situation in Tschetschenien verbessert sich, zwar langsam, aber konsequent. Ungeachtet der fortbestehenden angespannten Situation, der weiteren Terrorakte und Provokationen gegen Militärs, Leiter der Administrationen, Lehrer und Bürger, die sich weigern, mit Banditen zu kollaborieren, sind positive Wandlungen in Allem - in Industrie, Landwirtschaft, Sozialbereich und sogar auf dem Gebiet der Kultur - zu sehen.”

”Die Haupterrungenschaft in letzter Zeit”, wird im Appell unterstrichen, „ist die sich deutlich abgezeichnete Wende im Bewußtsein von Menschen. Immer mehr einfache Tschetschenen und Vertreter der nationalen Elite sehen ein, daß die Rückkehr zu einem normalen Leben in der Republik ohne Rettung der tschetschenischen Gesellschaft und ohne die Wiedergeburt der Selbstverwaltung unmöglich ist, deren Fertigkeiten und Traditionen in den Jahren des Krieges in vieler Hinsicht verlorengingen.

Gleichzeitig wird immer klarer, daß Tschetschenien solange kein vollberechtigtes Subjekt der Russischen Föderation werden wird, wie die neue Verfassung der Tschetschenischen Republik nicht verabschiedet worden ist und zu gelten beginnt, solange der Leiter der Exekutivgewalt der Republik, die Vertretungsorgane der Staatsmacht und die Selbstverwaltungsorgane, die von der Bevölkerung legitim gewählt wurden, nicht funktionieren werden.

Wir sind der Meinung, daß die Zeit für die Wiedergeburt der staatlichen Leitungsorgane in Tschetschenien und des gesamten Machtsystems in der Republik schon gekommen ist.”

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Dieses ist ein Artikel der
Weltnetzzeitschrift „Der Lotse”