Foto: Galina Oreschkina
"DIE TRAUERNDE MUTTER"
Das Mahnmal gegen Kriege
auf dem Friedhof für die sowjetischen Gefallenen in der Schlacht um Stalingrad,
in Rossoschka bei Wolgograd

* * *

 

60 Jahre nach der Schlacht um Stalingrad
 - Gedenkstätten


 
Inhaltsangabe
Deutscher Soldatenfriedhof bei Stalingrad
- drei Jahre nach der Einweihung.
von Sergey Logvinov
Beiträge des Vereins zur Bergung Gefallener in Osteuropa e.V. (V.B.G.O.):
Stalingrad heute
- mit dem VBGO auf Spurensuche
von Hartmut Zimmermann und Stefan Nowack
Der „Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa e.V.” (V.B.G.O) stellt sich vor:
Bericht über die Ergebnisse der Suchreisen des VBGO:

 

 

Deutscher Soldatenfriedhof bei Stalingrad
- drei Jahre nach der Einweihung.

von Sergey Logvinov

Mindestens einmal im Jahr
   Blick in den russischen Gefallenenfriedhof bei Rossoschka
     Blick in den russischen Gefallenenfriedhof  bei Rossoschka
Foto: Galina Oreschkina
besuche ich die Stadt, in der ich fast 15 Jahre meines Lebens verbracht, meine Ausbildung an der Universität abgeschlossen habe und wo meine Eltern immer noch wohnen,  - Wolgograd. Oft werde ich von meinen deutschen Freunden gefragt, ob sie mich während meines Aufenthalts in Wolgograd besuchen könnten. Nicht Amerikaner, Franzosen oder Chinesen, meistens sind das nämlich Deutsche, denn für sie ist diese Stadt und die damit verbundene Geschichte von besonderer Bedeutung.

Gerhard habe ich vor einem Jahr kennengelernt. Als ich ihm mitteilte, daß ich aus dem ehemaligen Stalingrad komme, merkte ich, wie diese Nachricht ein reges Interesse bei ihm auslöste. Ich fragte, ob er schon einmal die Stadt besucht hat. „Ich nicht,”  - folgte die Antwort. -  „aber mein Großvater. Er hat mir davon was erzählt.” Gerhard hat osteuropäische Geschichte studiert und seit langer Zeit hatte er den Wunsch, Wolgograd irgendwann zu besuchen. Bald haben wir uns entschieden, für eine Woche dorthin zu fahren.

Das ganze Bild der Stadt ist stark
Deutsche Jugendliche als ehrenamtliche Helfer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberführsorge auf dem Gefallenenfriedhof bei Rossoschka   
 Deutsche Jugendliche als ehrenamtliche Helfer des Volksbundes
 Deutsche Kriegsgräberführsorge auf dem russischen Gefallenen-
 friedhof  bei Rossoschka
Foto: Galina Oreschkina     
vom Krieg geprägt. Die zahlreichen Denk- und Mahnmale sollen an den legendären Sieg der sowjetischen Streitkräfte und Schrecken der Schlacht erinnern. Dies ist wahrscheinlich auch der einzige Grund für die Touristen hierher zu kommen. Sonst unterscheidet sich diese Provinzstadt von keiner anderen in Rußland. Der deutsche Soldatenfriedhof Rossoschka, genannt nach dem gleichnamigen Dorf, das sich hier einmal befand und während des Krieges völlig zerstört wurde, gehört jedoch kaum zu den Touristenattraktionen. Etwa 30 Kilometer von der Stadt entfernt, nicht weit von Gumrak  - einem Flugplatz, wo einst die deutschen Luftwaffenmaschinen landeten und starteten, um den Nachschub an Menschen, Lebensmittel und Munition für die Stalingrader Front zu schaffen. Gerhards verwundeter Onkel wurde von diesem Flugplatz zurück ins deutsche Hinterland abtranspontiert  - mit der letzten Maschine. Dann nahm die Rote Armee den Flugplatz ein, und der Kessel schloß sich bald. Fast 300.000 Angehörige der Wehrmacht und der verbündeten Armeen wurden eingekesselt. Viele von ihnen werden ihre Heimat nie wieder sehen  - von 90.000 Männern, die in die Gefangenschaft kamen, kehrten Jahre später nur 6000 zurück.

Es war nicht leicht,
    Kreuz als Mahnmal auf dem deutschen Friedhof.
     Ein schlichtes Kreuz in der schier endlo-
     sen Weite der südrussischen Steppe weist
     bei Rossoschka auf den Friedhof  für die
     in der Schlacht um Stalingrad gefallenen
     Deutschen hin.
Foto: Galina Oreschkina
den Friedhof zu finden. Die sich windenden Straßen werden oft von anderen Straßen überquert, kein Schild weist auf den Weg zum deutschen Friedhof. Als wir nach 10 Kilometern Fahrt nur Steppe und keine Schilder um uns sahen und schon umdrehen wollten, sahen wir plötzlich hinter einer Kurve Bauten, die in der südrussischen Landschaft sofort auffallend wirken,  - eine kreisförmige Anlage mit 150 Meter Durchmesser, ein großes Kreuz und ein paar Denkmäler. An den Wänden der riesengroßen Scheibe sind Tafeln mit 12.200 Namen angebracht. Ständig werden weitere Namen hinzugefügt, denn die Gesamtzahl der hier Begrabenen beläuft sich auf etwa 40 000. Damit ist dieser Friedhof der größte von etwa 150 Friedhöfen der deutschen Soldaten in ganz Rußland. Aus Gerhards Familie und dem Freundeskreis ist hier keiner gefallen. Ein paar Namen auf den Tafeln sind von Familien, die Gerhard kennt,  - kein Wunder bei der großen Zahl von Gefallenen.

Gegenüber der kreisförmigen Anlage, auf der anderen Seite der Straße, befindet sich ein russischer Friedhof, wo die auf den ehemaligen Schlachtfeldern neulich gefundenen Gebeine von 3.000 russischen Soldaten liegen. Wie damals vor 60 Jahren liegen die deutschen und russischen Soldaten sich gegenüber. „Beider Seiten wird gedacht und nicht auch noch nach dem Tode in Gut und Schlecht unterschieden”, meint Gerhard.

Das Projekt Deutscher Friedhof Rossoschka entstand 1992, kurz nach dem Abschluß des deutsch-russischen Kriegsgräberabkommens mit Rußland vom 16.12.1992 (der erste Vertrag dieser Art zwischen Deutschland und Rußland), und wurde vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zusammen mit dem Verband für Internationale Zusammenarbeit bei der Pflege von Soldatengedenkstätten von der russischen Seite geleitet. Nach der Einweihung im Jahre 1999 organisiert der Volksbund Pflegearbeiten und den Einsatz von Freiwilligen am Friedhof.

Bei der Durchführung
Die kreisrunde Mauer mit den Namenstafeln, die den deutschen Gefallenenfriedhof umgiebt,von außen gesehen.   
 Teil der kreisrunden Mauer mit den Namenstafeln, die den
 deutschen Gefallenenfriedhof umgiebt, von außen gesehen.
Foto: Galina Oreschkina     
von ähnlichen Projekten in Rußland stößt man auf allerlei Probleme - meistens bei oder nach der Einweihung des Friedhofs, wenn die gesamten Bauarbeiten schon zu Ende sind. So ist es auch im Fall mit Rossoschka passiert. Der Oberbürgermeister hat zuerst das Projekt bewilligt und das notwendige Gelände zur Verfügung gestellt, dann folgten Protestausdrücke seitens mancher Kriegsveteranen, Kommunalpolitiker, Abgeordneten des lokalen Parlaments. Die russischen Veteranen wurden kurz von der Einweihung des deutschen Friedhofs informiert, man stellte sie vor die vollendete Tatsache. Den empörten Veteranen gesellten sich später die Kommunalpolitiker und ihre lokalen Medien, die gemerkt haben, daß sie von dem deutschen Projekt sowieso nicht profitieren. Im schlimmsten Fall passiert es wie bei Rzhew, als 150 Deutsche zur Einweihung eines deutschen Soldatenfriedhofs kamen, wo ihre Verwandten und Regimentskameraden begraben sind, um einen Aufmarsch der russischen Kriegsveteranen vor Ort zu finden.

Die Einweihung von Rossoschka
   Deutsche Freiwillige bei der Arbeit auf dem deutschen Gefallenenfriedhof bei Rossoschka.
     Deutsche Freiwillige bei der Arbeit auf dem deutschen
     Gefallenenfriedhof  bei Rossoschka.
Foto: Galina Oreschkina
verlief ohne wesentliche Probleme, allerdings auch ohne den geplanten Peter Tschaikowskis „Pathétique” und Aubert Lemelands Sinfonie Nr. 10, die „Letzten Briefe aus Stalingrad”, ohne Teilnahme des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse und des Moskauer Duma-Vorstehers Gennadij Selesnjow. Die Politiker von Wolgograd beschlossen auf einmal, es sollte der Aktion kein politisches Gewicht beigemessen werden.

Freiwillige des Volkbundes kommen regelmässig nach Wolgograd und üben Pflegearbeiten am Friedhof aus. Die großen Rasenflächen werden gemäht, Dehnungsfugen mit Silikon neu ausgefüllt, die nicht mehr standsicheren Granitgedenktafeln fixiert. Gerhard hat sich jedoch gewundert, daß dort kein Besucherbuch ausgelegt war, wo man seine unmittelbaren Eindrücke festhalten könnte und auch nachzuvollziehen wäre, wieviele Menschen den Friedhof besuchen. „Ich hätte erwartet, außer uns noch jemanden anzutreffen.”

„Für mich ist Stalingrad eine Mahnung daran, daß es für Deutsche wie Russen notwendig ist, zusammenzuarbeiten und nicht gegeneinander” - sagt Gerhard. Und dann fügt er hinzu: „Peter I. hat das gut verstanden und entsprechend gehandelt, und Putin auch. Ich glaube, daß unsere Nationen sich gut verstehen können, sogar für eine Zusammenarbeit bestimmt sind, und gemeinsam eine gute Zukunft gestalten können.” (Hervorhebung durch die Redaktion)

Marburg, im Dezember 2002 Sergey Logvinov
Tutor für Russisch

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Stalingrad heute
- mit dem VBGO auf Spurensuche

von Hartmut Zimmermann und Stefan Nowack

Flughafen Köln, 9. Juni 2001, 18 Uhr - etwas abseits der normalen Flugplatzhektik trifft sich eine kleine Gruppe. Bekannte Gesichter begrüßen sich mit großem „Hallo”, neue Teilnehmer treten erwartungsvoll dazu. Ihr Reisegepäck sieht etwas seltsam aus und zieht die Blicke vorbeigehender Passanten an. Kein Koffer ist zu sehen, nur prallgefüllte Seesäcke und unförmige Taschen, aus denen, gut verschnürt, Spatenstiele und Suchstangen ragen.

Auch beim Einchecken skeptische Blicke, aber kurze Zeit später nimmt die seltsame Reisegruppe in einer alten TU 134 Platz. Dann steigt das betagte Fluggerät mit der seltsamen Reisegruppe in den Kölner Abendhimmel. Ihr Ziel ist eine Stadt an der Wolga - Stalingrad!

Fünf Stunden später beginnt der Landeanflug. Unter uns ein Lichtermeer, dessen Silhouette sich in der breiten Wolga spiegelt. Im Morgenlicht sind militärgeschichtlich interessante Orte wie der Wolgabogen bei Beketowka, der Mamai-Hügel, die ehemalige Höhe 102, die Zariza-Schlucht, die Industriewerke „Roter Oktober” und das Traktorenwerk gut zu erkennen.

Wie gebannt kleben die Gesichter an den Fensterscheiben, bis das Flugzeug auf dem ehemaligen Militärflugplatz Gumrak, dem heutigen internationalen Flughafen Wolgograds, landet. Nach den auch hier skeptischen Blicken bei der Zollabfertigung treffen wir uns am Ausgang des Flughafengebäudes, wo wir schon von den Mitgliedern der russischen Suchgruppe erwartet werden.

Wir, das sind zwölf von 120 Mitgliedern des Vereins zur Bergung Gefallener in Osteuropa e.V. (VBGO), die wie jedes Jahr ihren Urlaub geopfert haben, um auf eigene Kosten nach Stalingrad zu fliegen, um gemeinsam mit der russischen Suchgruppe „Poisk” nach vermißten deutschen und russischen Soldaten zu suchen (Hervorhebungen durch die Redaktion). Wie immer sind wir ein zusammengewürfelter Haufen aus ganz Deutschland. Neben den Suchgruppenleitern Hartmut Zimmermann aus Berlin und Stefan Nowack aus Thale waren dies unser alljährlicher „Verpflegungsoffizier” Alois Bauer (67 Jahre!) aus Überherm und unser unermüdlicher pensionierter Bergmann Helmut Wolf (64 Jahre) aus Schwalbach, der so manchen jungen Teilnehmer in Erstaunen versetzt, wieviel Kubikmeter Erde man im Laufe eines Tages bewegen kann. Des weiteren waren mit dabei Klaus Peter Delitzscher aus Straußberg, Uwe Noack aus Berlin, Günter Thielemann aus Übach-Palenberg, Siegfried Hübner aus Thale, Klaus Metzler aus Hann.-Münden, Harald Ebert aus Altenburg und unser französisches Vereinsmitglied (Hervorhebung durch die Redaktion) Jean-Loup Cassend aus Ivry Sur Seine (Frankreich).

Nach einer
Die Überreste eines von der Wehrmacht benutzten Citroën-PKWs werden gefunden.   
 Die Überreste eines von der Wehrmacht
 benutzten Citroën-PKWs werden gefunden.
herzlichen Begrüßung am Wolgograder Flughafen mit unseren russischen Suchpartnern, wird das Gepäck verladen und wir fahren mit dem Lkw Richtung Westen in das ehemalige Kesselgebiet. Unser Ziel ist das ehemalige, heute aber nicht mehr existierende Dorf Novo-Alekseevskij am Fluß Rossoschka, an dem unsere russische Suchgruppe bereits einen Platz für unser Lager vorbereitet hat.

Unsere Fahrt führt uns vorbei am Dorf Rossoschka und am deutschen Soldatenfriedhof, auf dem zur Zeit ca. 30 000 deutsche Soldaten ihre letzte Ruhe gefunden haben. Es wird plötzlich seltsam still in unserem Fahrzeug und die Blicke kleben wie gebannt am großen Kreuz des Friedhofes.

Gegen Mittag erreichen wir die Gegend um das ehem. Dorf Novo-Alekseevskij, das bis zum 10. Januar 1943 Kesselfront war. Bis zum Abend errichten wir das Zeltlager, das für die nächsten 13 Tage unser Zuhause sein wird.

Nach der ersten Nacht im Zelt beginnen wir am nächsten Morgen voller Tatendrang, die nähere Umgebung zu erkunden. Nicht weit vom Lager entfernt, werden die Überreste eines französischen Pkw Citoën gefunden. Ein Beutefahrzeug aus Frankreich, bei dem man in deutscher Gründlichkeit nicht vergessen hat, die originalen französischen Typenschilder mit einem deutschen Abnahmestempel zu versehen.

Nach der ersten Erkundung
   Erkennungsmarkenfund
     Eine deutsche Erkennungsmarke wird
     gefunden, wieder kann ein Vermißten-
     schicksal geklärt werden.
der näheren Umgebung, richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf den nahen Fluß. Im zugewucherten Uferbereich sind die Mulden alter Bunker, Unterstände und Verbindungsgräben zu erkennen. Nach einigen Probegrabungen wird uns schnell klar, daß dies unser Arbeitsbereich für die nächsten Tage sein wird. Schon nach kurzer Zeit werden die ersten menschlichen Gebeine gefunden. Die erste Erkennungsmarke kommt ans Licht  - „5./AR 77 Nr. 158” -  unser Tatendrang wächst ins Unermessliche. Im Laufe der nächsten Tage können wir in diesem Bereich die sterblichen Überreste von 29 deutschen Soldaten bergen. Trotz sengender Hitze und Trockenheit stehen wir bis zu den Knien im Schlamm, denn der nahe Fluß drückt sein Wasser in unsere Löcher. Aber zum Glück achtet hier niemand auf saubere Hosen und geputzte Schuhe. Immer wieder gibt der Schlamm Gebeine und Erkennungsmarken frei. Insgesamt können wir an dieser Stelle zehn deutsche Erkennungsmarken bergen. Leider werden aber auch Erkennungsmarken gefunden, die der Zahn der Zeit zerstört hat und die nur noch in Fragmenten erhalten sind. Für ihre Träger kommen wir zu spät, sie werden für immer unbekannt bleiben.

Noch bevor wir die Arbeit am Rossoschka-Fluß beendet haben, berichten uns Mitglieder der russischen Suchgruppe von einer Stelle in der Nähe des Dorfes Rossoschka. Nach Berichten von Einheimischen sollen hier viele Knochen offen umherliegen. Nach einer ersten Ortsbesichtigung bestätigt sich die Aussage der Anwohner. Die angegebene Stelle ist nicht weit vom Dorf entfernt, direkt an der Straße nach Wolgograd. Der deutsche Soldatenfriedhof Rossoschka ist in Sichtweite, das Hochkreuz des Friedhofes ist gut zu erkennen.

Aufgegrabene Unterstände
Gebeine und Erkennungsmarken   
 Nur wenige Zentimeter unter den Steppengräsern liegen die Gebeine
 deutscher und sowjetischer Soldaten,  - ein Mahnmal gegen den Krieg!
und Stellungslöcher zeugen davon, daß diese Stelle auf der Suche nach Wertvollem und Verwertbarem geplündert worden ist. Überall liegen die Gebeine Gefallener verstreut auf dem Feld umher. Ein trauriger Anblick!

Wir machen uns alsbald an die Arbeit, aber als Erstes werden die umherliegenden Gebeine eingesammelt. Anschließend durchsuchen wir den Erdaushub der geplünderten Grabanlagen. Zum Glück arbeiten die russischen Plünderer nicht mit deutscher Gründlichkeit und so können wir im Erdaushub noch zahlreiche Gebeine und auch Erkennungsmarken finden.

Fünf Tage arbeiten wir in glühender Hitze am Dorf Rossoschka, aber letztlich können dort 32 deutsche Soldaten und zahlreiche Erkennungsmarken geborgen werden. Das Hochkreuz des deutschen Soldatenfriedhofs ist in Sichtweite, für uns keine weite Entfernung, aber für die hier Gefallenen ein unendlich weiter Weg bis zu einer würdigen Ruhestätte nach 58 Jahren.

Nach der Beendigung der Arbeiten
   Ergebnis der Suche nach Erkennungsmarken
      Von 103 geborgenen deutschen Solda-
      ten trugen 51 noch ihre Erkennungs-
      marken, so daß ihre Identität nach nun-
      mehr 58 Jahren geklärt werden kann.
am Dorf Rossoschka fährt uns der angemietete Lkw der russischen Armee an einen Ort, nur einige Kilometer von unserem Zeltlager entfernt. Betroffen stehen wir um einen alten Unterstand, der erst vor kurzer Zeit geplündert worden ist. Überall liegen Gebeine und Ausrüstungsgegenstände umher. Gemeinsam machen wir uns wieder an die Arbeit, den Erdaushub der Plünderer nach hoffentlich übersehenen Erkennungsmarken und achtlos mit herausgeschippten Gebeinen zu durchsuchen. Die Zeit drängt, denn es sind nur noch wenige Tage bis zu unserer Rückreise. Gemeinsam heben wir den Unterstand in seiner ursprünglichen Form aus, ständig in der Hoffnung, durch das Finden von Erkennungsmarken die Identität der hier Verscharrten klären zu können. Doch leider müssen wir am Schluß feststellen, daß hier sehr gründlich geplündert wurde. Es konnten zwar die sterblichen Überreste von 36 deutschen Soldaten geborgen werden, aber es ist trotz intensiver Suche keine einzige Erkennungsmarke gefunden worden. Ein trauriger Abschluss!

Trotzdem sind wir mit unserem diesjährigen Suchergebnis sehr zufrieden. 103 deutsche Soldaten konnten geborgen werden, 51 von ihnen trugen noch ihre Erkennungsmarken, so daß ihre Identität nach nunmehr 58 Jahren geklärt werden kann. Alle zusammen werden sie eine würdige Ruhestätte auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Rossoschka finden.

Während unserer Suchaktion konnten durch die russische Suchgruppe und unsere Teilnehmer ebenfalls 14 gefallene russische Soldaten geborgen werden (Hervorhebungen durch die Redaktion). Auch für sie gibt es eine würdige Ruhestätte auf dem russischen Soldatenfriedhof.

Nach der
   Kranzniederlegung
       Kränzeniederlegung für die deutschen und sowjetischen Gefal-
       lenen am Mahnmal der „Trauernden Mutter” in Rossoschka
       durch die Mitglieder der Suchgruppe des VBGO.
abschließenden Kranzniederlegung auf dem deutschen und russischen Soldatenfriedhof (Hervorhebungen durch die Redaktion) kommt für uns der Tag des Rückfluges recht schnell. Die von uns geborgenen deutschen Soldaten und die dazugehörigen Erkennungsmarken und Umbettungsprotokolle werden am Morgen des Rückflugtages dem Vertreter des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge übergeben, der die weiteren Formalitäten bis zur Beisetzung übernehmen wird.

Gegen Mittag des 23.6.2001 brechen wir unser Zeltlager ab. Die Rückfahrt führt uns noch einmal vorbei am deutschen und russischen Soldatenfriedhof und es wird wieder seltsam still in unserem Fahrzeug. Zufrieden und ein wenig stolz denken wir daran, daß nun wieder einige Namen auf die Gedenktafeln des Friedhofes geschrieben werden können. Wieder einige Quadratzentimeter mehr, auf dem großen Gedenkstein der Geschichte, auf dem wenigstens ihre Namen stehen!

Ein Jahr wird vergehen, bis wir wieder mit unserem privaten Urlaub und auf eigene Kosten nach Rußland fliegen, um unsere Arbeit fortzusetzen, denn es gibt leider noch viel zu tun.

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Der „Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa e.V.” (V.B.G.O) stellt sich vor:

Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa e.V. (V.B.G.O.)
            1992 - 2002     10 Jahre VBGO e.V.

 

"Die Kultur eines Volkes erkennt man daran,
wie es mit seinen Toten umgeht"
(Charles de Gaulle)

Oktober 2002

Inzwischen sind 57 Jahre seit dem Ende des II. Weltkrieges vergangen. Immer noch gelten Millionen Menschen in ganz Europa als vermißt, liegen unbestattet in Straßengräben und Feldern.

Unser vor 10 Jahren gegründeter und inzwischen auf 200 Mitglieder angewachsene Verein hat sich der Toten angenommen, die vermißt abseits der Wege, weitab von Friedhöfen ihr gewaltsames Ende gefunden haben. So entstand unsere Organisation in der Überzeugung, diesen Kriegstoten eine würdige Bestattung zu ermöglichen, um ihnen ihren Namen zurückzugeben. Auch den Hinterbliebenen soll endlich Gewißheit über das Schicksal ihrer lieben Angehörigen verschafft werden.

Inzwischen hat unser gemeinnütziger Verein, der größte seiner Art in Deutschland, an die 6.000 Vermißte unterschiedlichster Nationen auffinden und bergen können. Vielen konnte ihr Name wiedergeben werden.

Unsere ehrenamtlich tätigen Vereinsmitglieder, den verschiedensten Nationen angehörend, nehmen enorme Strapazen und Kosten auf sich, um in Sümpfen, Wäldern und Steppen, sowie bei Sturm und Regen die Gebeine Vermißter aufzufinden. Über unsere Arbeit haben einige Fernsehsender, wie z.B. das ZDF, N3, ORB, NDR ausführlich berichtet.

In Zusammenarbeit mit vielen Freiwilligen aus Rußland, Polen, Tschechien, der Slowakei, der Ukraine und den USA sind wir bemüht, völkerverständigende Aspekte in unsere Arbeit einfließen zu lassen, um zwischen unseren Ländern Brücken zu bauen. Diese Freundschaften zwischen der Jugend verschiedener Nationen helfen uns die Vergangenheit besser zu verstehen, um daraus für die Zukunft zu lernen. Unsere ehrenamtliche Arbeit ergänzt den Aufgabenbereich des Volksbundes Deutsche Kriegsgraberfürsorge, des DRK-Suchdienstes und der Deutschen Dienststelle (WaSt).

Trotz allem (auch finanziellen) Engagement unserer Mitglieder sind wir auch auf die Unterstützung von anderen Personen und Organisationen angewiesen. Dies ist einer von vielen Briefen, die wir in diesen Tagen an gute Freunde und Förderer versenden um nochmals auf unsere Tatigkeit aufmerksam zu machen.

Wir wissen, daß viele von Ihnen schon an anderer Stelle durch Spenden und persönliches Engagement viel Gutes tun. Dennoch würden wir uns freuen, wenn Sie uns mit einer kleinen Spende oder vielleicht auch durch Ihre Mitgliedschaft unterstützen könnten.

Helfen Sie uns, den „Wettlauf gegen die Zeit” zu überwinden, damit wir noch vielen unserer gefallenen Soldaten  - und auch jenen unserer ehemaligen Gegner und Verbündeten -  ihre letzte würdige Ruhe geben können.

Spendenkonto: Sparkasse Gießen, KTO 259006009, BLZ 51350025

Vielen herzlichen Dank


Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa e.V. - Amtsgericht Saarlouis VR 1056 - Geschäftsführer: Albrecht Laue, Ehrenbergstraße 57- 22767 Harnburg
Sitz des Vereins: V.B.G.O.-Geschäftsstelle, Ehrenbergstraße 57 - 22767 Harnburg - Bankverbindung: SPK Gießen, Blz 51350025, Kto. 259006009

 

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Bericht über die Ergebnisse der Suchreisen des VBGO:

 

Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa e.V. (V.B.G.O.)
            1992 - 2002     10 Jahre VBGO e.V.

 

Ergebnisse der VBGO Suchreisen

Jahr der Suchreise

Ort der
Suchreise

Geborgene
deut. Soldaten

Zahl der Erkennungsmarken

Geborgene
sowj. Soldaten

1992

Demjansk

9

2

208

 

Demjansk

50

12

509

1993

Demjansk

98

7

1245

 

Demjansk

75

12

1268

1994

Tschudowo

16

14

220

 

Krim

43

25

0

1995

Tschudowo

14

9

25

 

Woronowo

12

0

7

 

Kertsch

58

17

1 Massengrab

 

Sinjawino

14

5

17

1996

Kirischi

5

1

42

 

Ostpreußen

25

12

1

 

Stalingrad

86

25

1

1997

Kirowsk

25

13

3

 

Ostpreußen

49

32

13

 

Stalingrad

168

16

11

1998

Ostpreußen

28

8

2 belgische Sld.

 

Stalingrad

194

22

98

1999

Ostpreußen

37

18

4

 

St. Petersburg

10

0

2

 

Stalingrad

587

52

38

2000

St. Petersburg

46

10

0

 

Straußberg

0

0

2

 

Stalingrad

168

20

52

2001

Ukraine

24

18

0

 

Pommern

2

1

0

 

Pommern

6

4

0

 

Pommern

11

4

0

 

Stalingrad

96

50

14

 

Slowakei / Muzla

3

2

0

 

Slowakei / Sturowo

15

7

0

2002

Ostpreußen

14

10

1

 

Stalingrad

7

3

0

 

St. Petersburg

32

12

0

 

Stalingrad

42

15

0

 

Gesamt

2069

458

3781


Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa e.V. - Amtsgericht Saarlouis VR 1056 - Geschäftsführer: Albrecht Laue, Ehrenbergstraße 57- 22767 Harnburg
Sitz des Vereins: V.B.G.O.-Geschäftsstelle, Ehrenbergstraße 57 - 22767 Harnburg - Bankverbindung: SPK Gießen, Blz 51350025, Kto. 259006009

 

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Dieses ist ein Artikel der
Weltnetzzeitschrift „Der Lotse”